- In Bewegung
- G20 Hamburg
Die Wut auf den Gipfel
Die Gruppe »radikale linke | berlin« veranstaltet zwei Monate vor dem G20-Gipfel eine Konferenz, um lokale und globale Alternativen von links zu entwickeln
Am 7. und 8. Juli 2017 wird in Hamburg der G20-Gipfel unter deutscher Leitung stattfinden. Die Hansestadt wird tagelang unter Belagerungszustand stehen, um das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 19 größten kapitalistischen Nationen sowie der Europäischen Union abzusichern. Ebenfalls werden Vertreter_innen transnationaler Finanzinstitutionen mit vor der Partie sein. Ungestört sollen Abmachungen getroffen werden, die eine Welt der Ausbeutung, der Unterdrückung und des Krieges festschreiben. Kein Wunder, dass auch über den weiteren Ausbau des Abschottungsregimes gegen Geflüchtete gesprochen werden wird, wie Kanzlerin Angela Merkel bereits ankündigte.
Wir werden den reibungslosen Ablauf des Treffens nicht hinnehmen. Zusammen mit zahlreichen Genoss_innen und Gefährt_innen werden wir nach Hamburg fahren und dafür sorgen, dass der Gipfel ein Gipfel der Wut wird. Unser Aufschrei gegen ihre Welt, die wir aus tiefstem Herzen hassen, wird bis in die Konferenzräume hörbar sein. Und damit der Aufschrei einer Welt der Gegenmacht, die aus den globalen Kämpfen von unten erwächst und die wir leidenschaftlich lieben. Was sich in Hamburg abspielen wird, ist das Aufeinanderprallen dieser beiden Welten.
G20 heißt … Imperialismus, Ausbeutung und Krieg
In Hamburg wird Anfang Juli über die Aufteilung der Welt verhandelt. Aus der Sicht der Herrschenden besteht diese aus geostrategischen Einflusssphären, Absatzmärkten und Ressourcen. Wir spielen darin nur eine untergeordnete Rolle. Die Auswirkungen dieser Machtkämpfe müssen wir allerdings täglich ertragen. Sei es durch die Auswirkungen ökonomischer Gewalt wie in Griechenland oder durch die unzähligen imperialistischen Kriege.
Einige werden einwenden, dass viele Konflikte komplexer sind. Das mag stimmen. Die Türkei, Saudi-Arabien, die USA und Russland, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und einige mehr beteiligen sich aber immer wieder direkt oder indirekt an der Verschärfung von Ausbeutung und Krieg. In Hamburg wollen wir ihnen in die Suppe spucken.
Es nützt nichts, an die kapitalistischen Kernstaaten zu appellieren, dieses System der Ausbeutung und ihrer Kriege bitte zu stoppen. Ein schlagkräftiger Antiimperialismus muss revolutionär, antikapitalistisch und antimilitaristisch sein: Das Ziel sind Freiheit und Solidarität aller Menschen. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass der Feind meines Feindes mein Freund ist. Es gilt die revolutionäre Linke als eigenständige, geschichtsmächtige Kraft aufzubauen und international zu vernetzen – von Kolumbien bis Indien, von der Türkei bis nach Südafrika.
G20 heißt … Aufstandsbekämpfung und Gentrifizierung
Eigentlich macht die Entscheidung für Hamburg als Austragungsort des Gipfels keinen Sinn. Nach dem G8-Gipfel 1999 in Köln wird es nach langer Zeit das erste derartige Treffen in einer deutschen Großstadt sein. Die Herrschenden fühlen sich anscheinend durch Sicherheitszonen, Scharfschützen, versiegelte Gullydeckel und tagelangen Ausnahmezustand gut gewappnet gegen Großdemonstrationen in der Innenstadt, Blockaden von Infrastruktur und militante Aktionen. Die kürzlich angeschafften Panzerfahrzeuge der Bullen und die neue Spezialeinheit (BFE+) ausgerüstet mit Maschinengewehren zeugen von einer schrittweisen Militarisierung.
Wir alle werden vor, während und nach den Julitagen in Hamburg ganz praktische Erfahrungen mit den Repressalien dieses Systems sammeln. Dem setzen wir unsere grenzenlose Solidarität mit allen Formen des Protests und Widerstands entgegen.
Doch die G20 stehen im Sinne der Aufstandsbekämpfung nicht nur für direkte Konfrontation. Was in den Slums der »Schwellenländer« sichtbar wird, existiert in anderer Form auch hier: die Zerstörung sozialer Zusammenhänge und Isolierung in den Stadtteilen durch Verdrängung an die Ränder der Metropolen. Gentrifizierung dient vordergründig der neoliberalen Umgestaltung von Zentren. Doch die Zerschlagung sozialer Beziehungen verhindert auch den wirksamen Widerstand gegen alle die Zumutungen, die uns Staat und Kapital täglich bereiten.
So forderte ein Polizist in Springers Hetzblatt »B.Z.« Anfang 2016 während der Auseinandersetzungen um die Hausprojekte im Friedrichshainer Nordkiez, dass unsere rebellischen Freund_innen durch hohe Mieten aus dem Kiez verdrängt werden sollten, um den Widerstand gegen teure Neubauprojekte zu brechen. Das gelang ihnen jedoch nicht!
Auch wenn uns die Herrschenden das Leben schwerer machen wollen, wir haben uns entschieden, nicht länger nur nein zu sagen, sondern uns die Zukunft selbst zu nehmen.
Wir kämpfen für die Welt von morgen
Vom 28. bis 30. April veranstalten wir gemeinsam mit vielen Freund_innen und Genoss_innen die Konferenz »Selber machen«, um über Konzepte von Basisorganisierung, Gegenmacht und Autonomie zu diskutieren und praktische Anknüpfungspunkte zu finden. Gemeinsam mit vielen Aktivist_innen aus Berlin, Deutschland, der Schweiz, Griechenland, der Türkei, Kurdistan und Großbritannien wollen wir neue Impulse für die Aufbauprozesse schaffen, denen wir alle uns in den kommenden Jahren widmen müssen, wenn wir Staat, Kapital und Reaktion wirkliche Alternativen von links entgegenstellen wollen. Denn wenn dies gelingt, dann brauchen wir uns auch nicht mehr mit solchen Lappalien wie dem G20-Gipfel zu beschäftigen.
Im Rahmen der Mobilisierungen gegen den G20-Gipfel veröffentlicht die »radikale linke | berlin« eine Textreihe zu zentralen Themen des Treffens. Bisher erschienen Texte zu Imperialismus und Ausbeutung sowie Aufstandsbekämpfung.
Weitere Beiträge aus unserer nd-Reihe zum G20-Gipfel:
- »Hoffnung entsteht aus Rebellion« von Emily Laquer und Samuel Decker (Interventionistische Linke)
- »Fünf Gründe, in Hamburg gegen die G20 zu protestieren« von Werner Rätz (attac)
- »G20: Fight the Game, not the players« von TOP B3rlin
- »Frieden und Völkerrecht statt globalisierte NATO« von Karl-Heinz Peil (Bundesausschuss Friedensratschlag)
- »G20 fährt die Menschheit mit ›Wachstum‹ an die Wand« von NoG20-Klima-Aktivist*innen
- »Schuldenkrisen rechtzeitig und fair lösen« von Mara Liebal (erlassjahr.de)
- »Sturmgewehre und Sonderknast: Polizei rüstet für G20« von Ermittlungsausschuss Hamburg
- »Eine internationalistische Alternative am Hamburger Hafen« von Elio Di Muccio (Plan C, Birmingham)
- »Fragen der globalen Gesundheit: Abwehr oder Vorsorge?« von Anne Jung (medico international)
- »Gegen die Kriege, die sie führen. Den Frieden organisieren« vom Demokratischen Gesellschaftszentrum der Kurdinnen und Kurden in Deutschland
- »Gegen die kriegsfördernde Politik unserer Regierung« von Andreas Grünwald (Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung)
- »Wir werden bunt, laut und fröhlich demonstrieren« von Jan van Aken (Linksfraktion im Bundestag)
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.