Abgeschnitten und vergessen
Mecklenburg: Behindertenbeirat fordert Rückkehr zum durchgehenden Südbahn-Verkehr
Ist die ruhende Bahnstrecke zwischen Parchim und Malchow für Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung aus SPD und CDU mittlerweile endgültig gestorben? Die von vielen Menschen vermisste Zugverbindung wurde seit der Landtagswahl im September 2016 nur zwei Mal kurz im Plenum erwähnt, zuletzt im Dezember 2016 in einer Anfrage.
Mit ihr hatte die Verkehrsexpertin der Linksfraktion, Mignon Schwenke, Näheres zur Zukunft der Südbahn wissen wollen, auch zur stillgelegten Teilstrecke. Deren Wiederbelebung steht offensichtlich nicht auf der Agenda der rot-schwarzen Koalition. Das lässt auch ein Part jener Antwort vermuten, die Infrastrukturminister Christian Pegel (SPD) im Landtag zur Frage der LINKEN gab: Die Akzeptanz der Busse, die seit zwei Jahren statt Zügen zwischen Malchow und Parchim rollen, habe sich »deutlich verbessert«.
Doch zumindest bei Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, etwa durch die Gebundenheit an einen Rollstuhl oder hohes Alter, hat sich die Akzeptanz jenes Ersatzverkehrs auf der Straße keineswegs erhöht. Das äußern Bürgerinnen und Bürger, und das belegt jetzt auch eine Stellungnahme des Behindertenbeirats im Kreis Mecklenburgische Seenplatte.
Jene Gemeinschaft sieht in der Stilllegung der Bahnstrecke einen Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die allen Betroffenen »ein selbstbestimmtes Leben ohne zusätzliche vermeidbare Einschränkungen« zuspricht. Eine solche Einschränkung aber, so der Beirat, müssten all jene Behinderten erdulden, deren Mobilität unter der Streckenstilllegung leidet. Die Busse, auf die Minister Pegel verweist, sind keine akzeptable Lösung dieses Problems, betont Jürgen Fischer aus Waren an der Müritz, Mitglied des Behindertenbeirats, im Gespräch mit »nd«. Für Rollstuhlnutzer etwa kann es in den Fahrzeugen »eng« werden. Darüber hinaus seien nicht nur längere Fahrzeiten belastend, sondern auch das Umsteigen von Bus zu Bahn und umgekehrt, wenn die gestrichene Schienenstrecke auf der Straße überbrückt werden muss.
Solche Schwierigkeiten, so Fischer, ließen sich ausräumen: durch einen ununterbrochenen Südbahnverkehr, der ohne großen Aufwand wieder hergestellt werden könne. Das würde von vielen Menschen begrüßt, die sich zurzeit »wie abgeschnitten« vorkommen. »Die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben hat durch die Stilllegung des Schienenverkehrs sehr gelitten«, unterstreicht der Beirats-Aktivist. Das gelte nicht allein für Behinderte, sondern für alle Menschen im vorwiegend ländlichen Raum, die nicht Auto fahren können - alte Bürgerinnen und Bürger etwa und auch Kinder.
Auch in ihrem Interesse unterstützt der Behindertenbeirat die Bürgerinitiative »Pro Schiene« in ihrer Forderung nach einer durchgehenden Bahnverbindung von Neustrelitz nach Hagenow. Nach Schwerin, in die Regierungsetagen, blicken Interessenvertreter der Behinderten jedoch sehr skeptisch und meinen: »In unserem großflächigen Bundesland, in dem die Einwohner oft täglich weite Strecken zurücklegen müssen, wird durch die Verantwortlichen nur derjenige gefördert, der den größten Umweltschaden verursacht.« Der Autoverkehr.
Statt verlässliche Bahnverbindungen zu schaffen, die auch Arbeitnehmer ohne Zeitverlust gut nutzen könnten, werde von politischer Ebene als einzige Alternative der Individualverkehr dargestellt, erklärt der: Da rolle dann eine »einzelne Person in einem tonnenschweren Wagen«.
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