Im öffentlichen Dienst droht der Notstand
Bundesverwaltungsamt warnt vor Kollaps wegen Pensionierungen
Die Babyboomer-Beamten gehen massenhaft in den Ruhestand. Es kommen nicht genug Bedienstete nach. Fazit: Bald droht der Bundesverwaltung massiver Personalnotstand. Das ist die Aussage von Christoph Verenkotte, Präsident des Bundesverwaltungsamtes (BVA). In den Mittwochausgaben der Funke Mediengruppe forderte Verenkotte ein »riesiges Einstellungsprogramm«. Ansonsten drohe der Kollaps der Bundesverwaltung.
Er sehe, dass nicht alle Stellen neu besetzt werden, die durch Pensionierungen frei würden. Die im Bundeshaushalt vorgesehenen Neubesetzungen von 500 Stellen seien mit Blick auf die insgesamt 500 000 Beschäftigten in der Bundesverwaltung bloß »Symbolik«.
Der Wege aus der Misere seien es zwei. Entweder müsste die Bundesverwaltung effektiver werden - dazu gehörten Investitionen in die Digitalisierung von Verwaltungsakten; oder »sie muss manche ihrer Aufgaben überdenken«. Doch die Verantwortlichen drückten sich bislang vor der Verantwortung, so Verenkotte.
Die Bundesverwaltung ist die oberste Ebene in den föderalen Strukturen der Bundesrepublik. Zu ihr gehören die Bundesministerien, der Bundesrechnungshof, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskartellamt, die Hauptzollämter sowie das beim Innenministerium angesiedelte Bundesverwaltungsamt. Letzteres übernimmt etwa die Personalgewinnung auch für andere Behörden, unterhält das Ausländerzentralregister und fungiert als zentrale Ausbildungsbehörde
Die Klage über die drohende Personalnot ist nicht neu. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) warnt seit bald zehn Jahren vor dem kommenden Massenruhestand. Der Vorsitzende des dbb, Klaus Dauderstädt sagte gegenüber »nd«: »Der Personalmangel im öffentlichen Dienst geht ans ›Eingemachte‹ unseres Gemeinwesens. Über Jahrzehnte wurde unter dem Mantra des schlanken Staats Personal abgebaut und nicht neu eingestellt.« Aber jetzt komme die Quittung, so Dauderstädt: »Es kracht im Gebälk, und zwar an allen Ecken und Enden.« Dass der öffentliche Dienst noch funktioniere, sei »allein dem Engagement und der Motivation der Beschäftigten« zu verdanken.
Forderungen nach Digitalisierung steht Dauderstädt kritisch gegenüber. »Abgesehen davon, dass dieser zweifelhafte Segen ohnehin erst in einigen Jahren über die Verwaltungen und Behörden kommen und sich bis dahin wahrscheinlich wenig an der Personalmisere ändern wird: Kommt demnächst anstelle der Feuerwehr die Lösch-Drohne, im Krankenhaus der Pflegeroboter?«, fragt Dauderstädt. Der DGB kam in seinem Personalreport 2016 zu ähnlichen Ergebnissen. Die 45- bis über 55-Jährigen machen 55 Prozent der insgesamt rund 4,6 Millionen öffentlich Bediensteten aus - davon elf Prozent beim Bund.
Auf nd-Anfrage verwies ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf eine neue Homepage, die junge Menschen für den öffentlichen Dienst begeistern soll. Überdies betreffe der anstehende Generationenwechsel im höheren Maße Länder und Kommunen, beispielsweise bei Lehrern. Man habe überdies eine Vielzahl von Projekten und konkreten Handlungsmaßnahmen entwickelt, um Fachkräfte für eine Tätigkeit im öffentlichem Dienst zu begeistern. Ob das fruchtet? Seit Jahren verweigert sich der öffentliche Dienst der Forderung nach einem Ende der befristeten Einstellungen nach Ausbildungsende. Ein attraktiver Start ins Berufsleben sieht sicher anders aus. Kommentar Seite 4
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