Lügen haben kurze Beine
Baden-Württemberg: Die Stadt Winnenden feiert ihren legendären Mops - doch dessen rührende Geschichte stimmt wohl nicht ganz
Die Legende ist eigentlich zu schön, um sie zu hinterfragen. Im Krieg von seinem Herrchen getrennt, läuft ein Mops mehr als 1100 Kilometer von Belgrad heim nach Winnenden. Allein, auf seinen krummen, kurzen Beinen. In der schwäbischen Heimat setzen sie dem braven und angeblich stets überfreundlichen Hund später sogar ein steinernes Denkmal. Und die Stadt feiert den unglaublichen Dauerlauf des Tieres vor genau 300 Jahren im Mai mit einem großen Stadtfest - ganz egal, wie wahr die Hundelegende nun tatsächlich ist. Geplant sind eine Parade künstlerisch gestalteter Möpse und ein Mopsrennen lebendiger Vierbeiner auf dem Viehmarkt, wie die Stadt mitteilte. Es werden Mopsgeschichten gelesen und Radfahrer empfangen, die die Strecke des »Winnender Mopses« nachgefahren sind.
Im Schloss Winnental, zwischen Torhaus und Hauptgebäude, steht das überaus seltsame Denkmal: Ein in Stein gehauener Mops, Lorbeerkranz um den Hals. Es erinnert an den Hund des Herzogs Karl Alexander von Württemberg. Eine längere Inschrift würdigt das Tier als geduldig und ungemein treu. »Anno 1733« steht drunter. Aufgestellt wurde die Würdigung laut Inschrift zum Tod des gelobten Mopses.
Wann und durch wen die Geschichte vom Lauf des Hundes von Belgrad nach Winnenden entstand, weiß so recht niemand. Der Legende nach wurde der Mops während einer Schlacht um Belgrad 1717 - vor 300 Jahren - von seinem Herrchen, dem Herzog, getrennt. Als Feldmarschall in österreichischen Diensten führte der Edelmann damals die kaiserliche Armee gegen die osmanischen Truppen. Der Mops lief nach Winnenden zurück. Das ist das, was man sich erzählt. »Wir wissen nicht, wer die Geschichte erfunden hat«, sagt Stadtarchivarin Sabine Reustle. Den Hofmops gab es wohl, die Schlacht bei Belgrad 1717 auch. Den Lauf des treuen Hundes auf seinen kurzen Beinen nach Winnenden müsse man aber als Legende einordnen. Auch mit dem Alter des Hundes könne etwas nicht stimmen. Zum einen soll er 1717 schon gelebt haben, zu anderen soll ihm zum Tod im Jahr 1733 am Schloss das Denkmal gesetzt worden sein. »Möpse werden nicht so alt«, sagt Reustle. Das Denkmal wird in einer Beschreibung aus dem Jahr 1850 erstmals erwähnt, wie Eberhard Schauer vom Historischen Verein Winnenden erzählt. Nach seinen Recherchen stammt die Legende vom Oberlehrer Gotthold Börner, der sie 1923 für sein Buch »Winnenden in Sage und Geschichte« erfunden habe. Elf Tage habe der Hund gebraucht, schrieb Börner. »Auch das ist in keiner Weise belegt«, sagt Schauer.
Bei aller Vermarktung des Mopshundes in Winnenden inklusive eines Mopsweins und eines neuen Erzähl- und Bildbandes warnt der ehemalige Stadtarchivar gar vor Geschichtsfälschung. »Das Ding mit dem Mops stimmt nicht«, ist sich Schauer sicher. Es sei nicht einmal belegt, ob der Hund jemals in Belgrad war. dpa/nd
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