»Fake-News« und die Verfestigung der Alternativlosigkeit
Der Begriff wurde schon vor geraumer Zeit ins Vokabular der Sprache der Macht adaptiert
Die Elite der europäischen Fußballvereine traf sich neulich, um die Champions League zu reformieren. In erster Linie ging es um die Verteilungsfrage der Gelder. Natürlich hat die nicht nur Befürworter, gerade auch kleinere Klubs sorgen sich um die Entwicklung, weil sie sich noch weiter ins Hintertreffen geraten sehen. Die Münchner Bayern waren natürlich auch vertreten. In der Person von Karl-Heinz Rummenigge, der nebenbei auch noch Vorsitzender der »European Club Association« ist, dem Verband der europäischen Topvereine. Und was sagt der Mann zu den Sorgen, die manche ausbrüten, wenn es um die Reform der Königsklasse geht? Das seien nur »Fake-News«, für ihn sähe es nämlich so aus, als würden die Pläne alle zufriedenstellen.
Nun gut, Rummenigge war ein ausgezeichneter Mittelstürmer. Als eloquenter Funktionär ist er hingegen in all den Jahren nach seiner aktiven Karriere recht selten aufgefallen. Dass er nun das Modewort »Fake-News« gebraucht, um Kritiker mundtot zu machen, könnte man also durchaus mit seiner fehlenden Rednerbegabung abtun. Da hat der gute Mann halt was aufgeschnappt und plappert es nun ungeniert nach, oder nicht?
Ganz so einfach erscheint die allgemeine Kakophonie zum Thema Fake-News aber dann doch nicht. Das Getöse zum Fake, das man in den Leitmedien und in der Politik nun vernimmt, hat gar nichts mit einem Fürsorgeauftrag zu tun. Der Schutz der Bürger vor Falschmeldungen, der jetzt immer wieder angesprochen und der auch irgendwie gesetzlich fixiert werden soll, ist nicht einer Caritas oder einer Fürsorgepflicht geschuldet, sondern dient mittlerweile in erster Linie dazu, unliebsame Perspektiven zu unterbinden oder eventuellen Nonkonformismus mindestens zu diskreditieren.
Natürlich gibt es in den sozialen Netzwerken ein Problem mit erfundenen Meldungen. Das Bundeskabinett sah sich deswegen ja auch in der Verantwortung, ein Gesetz gegen Hassreden und Fake zu verabschieden. Doch Protest regte sich umgehend, weil man einen Angriff auf die Meinungsfreiheit fürchte, denn wo die prüfbare Wahrheit aufhört und der absichtsvolle Fake beginnt, das ist nicht immer ganz sauber zu trennen. Und ehe man sich versieht, löschen soziale Netzwerke alles, was irgendwie in den Ruch des Gefaketen geraten könnte. So wird der Kampf gegen die Fake-News zum Instrument der Unterbindung der Meinungsfreiheit und zum Bekenntnis eines vorauseilenden Konformismus'.
Faktisch wurde der Begriff »Fake-News« aber schon vor geraumer Zeit ins Vokabular der Sprache der Macht adaptiert. Im Falle vom Karl-Heinz Rummenigge, durchaus ein Mächtiger im Mikrokosmos des Fußballs, kann man das als Beispiel ganz gut erkennen. Fake-News, die einem Kontrahenten salopp unterstellt werden, untergraben andere Sichtweisen auf ein Thema, minimieren Debatten und lotsen so zu einer alten Bekannten: Zur Alternativlosigkeit, die wir ja aus dem neoliberalen Jargon schon lange kennen.
Es geht doch nicht um Wahrheitsliebe, wenn man davon spricht, dass Fake-News justiziabel gemacht werden sollten. Da ist die bloße Fortsetzung der Alternativlosigkeit mit anderen Mitteln am Werk. Denn wer den anderen Fake unterstellt, der kann selbst ungehindert faken, er bewegt sich dann ja auf dem Parkett dessen, was wir als Wahrheit akzeptieren. Die vermeintliche Abbildung der Wahrheit wird dann zwar nicht wahrer, aber da alles andere als bloße Erfindung ausscheidet, bleibt keine Alternative mehr übrig.
Eigentlich geht es bei Anti-Fake-Gesetzen gar nicht so sehr um die Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern eher um die Ausschaltung eventueller alternativer Ansätze – was natürlich einen Meinungsabgleich gleichkommt und konformistische Tendenzen züchtet. Weil alles faktisch Fake sein kann, was keine Lobby hat, um als No-Fake durchsetzungsfähig zu sein, kann man die derzeitige Kampagne gegen Fake-News tatsächlich als Clou zur Verfestigung der Alternativlosigkeit einschätzen.
Nicht dass Herr Rummenigge das alles durchschaut hätte. Aber als jemand, der qua seiner Funktionen die Sprache der Macht verinnerlicht hat, bedient er sich halt ganz automatisch solcher Methoden, die die Kritiker an den Plänen, von denen er mit seinem Verein profitieren wird, inhaltlich kaltstellen. Wer die Macht hat, der faket und sagt dann, es seien die anderen gewesen.
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