Populistische Floskeln, Vorurteile und viel heiße Luft

Marine Le Pens Programm besteht fast nur aus Propaganda / Kurzfristig hätte nur die Erhöhung des Mindestlohns positive Effekte

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Marine Le Pen hat es zwar geschafft, die rechtsextreme Front National (FN) fast schon zu einer Partei wie jede andere zu machen. Es wurden Alt- und Neonazis hinausgedrängt und neue Mitglieder gewonnen, zu denen auch Akademiker gehören. Aber ein in sich schlüssiges und überzeugendes Programm kann die FN-Vorsitzende trotzdem nicht vorweisen.

Dass sie bei der Präsidentschaftswahl mit 24 bis 26 Prozent der Wählerstimmen rechnen kann, verdankt sie einer breiten Anhängerschaft. Das sind oft Erwerbslose, aber auch Geschäftsinhaber, Handwerker oder Kleinunternehmer sowie verarmte und überschuldete Bauern. Generell sind es Franzosen, die früher entweder die rechtsbürgerlichen Republikaner oder die Sozialisten wählten, aber von deren Politik enttäuscht wurden. Offensichtlich geben sie sich mit den Losungen von Le Pen zufrieden. In diesen und in ihrem Programm wimmelt es von populistischen Klischees. »Knechtschaft«, »Geiseln«, »Verrat an der Nation«, »Rückgewinnung der Souveränität« oder auch »Finanzinteressen, die Frankreichs Wirtschaft unterjochen« und »Wettbewerbsfähigkeit durch Bevorzugung französischer Produkte« sind wiederkehrende Floskeln.

Es ist beklemmend, dass solche Primitivität so viel Wirkung erzielt. Wortreich angeprangert werden die »politischen Eliten«, die das Land an die EU ausgeliefert hätten, dieses »tyrannische europäische System« mit Deutschland im Zentrum, gegen das man sich als Patriot wehren müsse. Übertroffen wird das Thema Europa nur noch durch Warnungen vor der angeblich allgegenwärtige Gefahr der Ausländer, die Frankreich überrollen, ausplündern und mit islamistischem Terror bedrohen.

Wenn es im Programm von Marine Le Pen einen Leitgedanken gibt, dann ist es die »Nationale Priorität« - vergleichbar mit Trumps »America first«. Die 48-Jährige will diesen Grundsatz im Falle ihrer Wahl zur Präsidentin per Referendum in der Verfassung verankern und Arbeitsplätze, Wohnungen und soziale Leistungen zuerst gebürtigen Franzosen sichern - dann eventuell auch Ausländern. Ebenfalls per Referendum soll noch in diesem Jahr der Austritt Frankreichs aus EU und Eurozone vollzogen werden. Die Grenzen sollen nicht nur gegen ungewollte Einwanderer, sondern auch gegen ausländische Waren dichtgemacht werden. Le Pen plant einen Einfuhrzoll von drei Prozent und, wenn es sich um Produkte französischer Unternehmen im Ausland handelt, sogar in Höhe von 35 Prozent. Das würde indes die meisten Renault-, Citroen- und Peugeot-Autos, die in Rumänien oder der Slowakei gefertigt werden, für französische Käufer um mehrere tausend Euro teurer machen. Ein Umstand, der die Kandidatin nicht schert.

Einheimische Unternehmen sollen sich auf den nationalen Markt konzentrieren und ausländische Investitionen in französische Unternehmen sollen nur in engem Rahmen erlaubt werden. Das geht genauso an den Realitäten des internationalen Wirtschaftslebens vorbei wie Le Pens Ankündigung, sie werde »die französischen Schulden, die zu 65 Prozent von Ausländern gehalten werden, renationalisieren«. Wie genau - diese Antwort bleibt sie schuldig. Überdies will die FN-Chefin französische Unternehmer, die für einen vakanten Arbeitsplatz einen Ausländer einstellen, mit einer Strafsteuer belegen. Diese Maßnahmen würden erst langfristig eine Verbesserung der Lebenslagen für breite Schichten bringen. Kurzfristige Wirkung hätte die Erhöhung des Mindestlohns SMIC von 1100 auf 1500 Euro, die Senkung der Steuer für Geringverdienende um zehn Prozent und die Absenkung das Rentenalter von 62 auf 60 Jahre.

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