»Korruptionsrevanche« in der Ukraine

Kiew macht Druck auf Schmiergeldjäger: Sie sollen Einkünfte der Organisation und ihrer Mitarbeiter offenlegen

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war ein harter Kampf - und es schien, als hätte die ukrainische Zivilgesellschaft ihn gewonnen. Denn 2016 setzte diese eines der wichtigsten Projekte im Kampf gegen Korruption, die elektronische Deklarierung der Einkünfte von Beamten und Politikern, durch. Jetzt sind sie verpflichtet, Einkünfte und Vermögen nicht nur gegenüber den Behörden, sondern auch der gesamten Öffentlichkeit offenzulegen. Die Angaben sind im Internet frei verfügbar und machten bereits im Vorjahr Schlagzeilen - vor allem, dass einige Beamten und Politiker ihre Millionen als Bargeld deklarierten.

Die Idylle dauerte jedoch nur bis Ende März, als die Werchowna Rada über die Gesetzänderungen zum entsprechenden Gesetz abstimmen solle. Diese hatte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko höchstpersönlich vorgeschlagen. Sie sollten in erster Linie einen Teil der Militärangehörigen, unter anderen solche Soldaten, die regulär in die Armee einberufen wurden, von der Deklarationspflicht befreien.

Es war aber nicht dieser Vorschlag, der trotz leiser Kritik eine ganze Welle der Empörung auslöste. Vielmehr war die ukrainische Öffentlichkeit durch zwei weitere Änderungen überrascht, die Tetjana Tschornowol, Rada-Abgeordnete der Fraktion Volksfront, vorschlug.

Laut dem ersten Vorschlag müssten Gründer und Redakteure ukrainischer Medien ebenfalls ihre Einkünfte offenlegen. Diese Gesetzinitiative rief Tschornowol später selbst zurück. Für die andere stimmten allerdings 268 Abgeordnete. Danach sollen auch Personen, die Geld im Rahmen verschiedener Programme für den Kampf gegen Korruption erhalten, auch an der elektronischen Offenlegung teilnehmen. »Korrupten Leuten passt es bestens, sich als Kämpfer gegen die Korruption zu verkaufen. Wäre das aber für einen ehrlichen Aktivisten ein Problem, seine Einkünfte offenzulegen?«, fragt Tschornowol.

»Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Transparenz, über die wir alle sprechen. Wenn man sowieso nichts zu fürchten hat, regt man sich auch nicht über irgendwelche Deklaration auf«, fasst Wiktorija Sjumar, eine weitere Rada-Abgeordnete, die Stimmung im ukrainischen Parlament zusammen.

Obwohl die Schlussfolgerungen Tschornowols und Sjumars zunächst logisch klingen, bleibt am Ende der bittere Beigeschmack. Denn die Werchowna Rada stimmte letztlich im Eiltempo über eine Gesetzänderung ab, von der vor der Sitzung niemand gewusst hatte. Präsident Poroschenko unterschrieb das Gesetz schließlich am 30. März. Nur wenige Tage nach der Abstimmung im Parlament, trat die neue Regelung in Kraft.

»Es sieht nach Rache jener Leute aus, die unzufrieden sind, dass sie ihre Einkünfte offenlegen müssen«, kommentierte Jose Ugaz, Vorstandsvorsitzender von Transparency International. »Das Ziel des ursprünglichen Gesetzes war, die Beamten und Politiker zu kontrollieren, die ihre Position im eigenen Interesse ausnutzen. Es ging doch nicht um Aktivisten, die ihr Geld ja nicht vom Staat erhalten.« Ugaz fügt hinzu: »Diese Gesetzänderungen sind ein Zeichen, dass die ukrainischen Spitzenbeamten es mit dem Kampf gegen Korruption nicht ernst meinen.«

In der Ukraine selbst wird die Entwicklung von vielen als »Korruptionsrevanche« bezeichnet, während einige feiern, dass verschiedene Nichtstaatliche Organisationen (NGO) und weitere Organisationen, die ihr Geld von verschiedenen Stiftungen und Auslandsinstitutionen bekommen, nun Probleme bekommen.

»Wir könnten unendlich darüber diskutieren, ob es logisch ist, dass auch Leute ihr Einkommen offenlegen müssen, die nicht im Staatsdienst arbeiten«, betont Witalij Schabunin, Chef des Zentrums für Widerstand gegen Korruption, gegenüber Strana.ua. »In jedem Fall unlogisch ist, dass Leute, die Geld von uns für alles Mögliche erhalten, ebenfalls deklarierungspflichtig sind.«

Sogar eine Putzfrau, die im Büro der Organisation aufräumt, oder ein Übersetzermüssen diese Einkünfte deklarieren. Schabunin glaubt, dass diese Regelung die Arbeit der NGO stark erschweren wird. Wer für die Zusammenarbeit Geld erhalte, werde »große Kopfschmerzen bekommen. Deshalb bereiten wir uns darauf vor, dass nur wenige Menschen mit uns kooperieren werden.« Sogar in Russland, dessen Gesetz viele NGO als »ausländische Agenten« bezeichnet, sei es einfacher. Dort ist nur die Organisation deklarationspflichtig, nicht deren Mitarbeiter und Leute, die Honorare bekommen.

Zwar ist es wahrscheinlich, dass das Gesetz wegen der zahlreichen Unsinnigkeiten noch minimal verändert wird. Die Quellen aus der Präsidialverwaltung, die die Regelung durchsetzte, sind aber eindeutig: Die Kiewer Regierung meint es im Kampf gegen NGO und Aktivisten ernst.

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