Rote Linien sollen leuchten

Grüne Jugend warnt die Mutterpartei vor »faulen Kompromissen« in möglichen Koalitionsgesprächen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Parteispitze der Grünen will sich vor der Bundestagswahl viele Koalitionsoptionen offen halten. Nur ein Bündnis mit der rechten AfD ist für sie ausgeschlossen. Als wahrscheinlich gilt, dass die eher konservativen Spitzenkandidaten, Parteichef Cem Özdemir und die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, eine Zusammenarbeit mit der Union präferieren würden. Nach aktuellen Umfragen müsste noch die FDP mit ins Boot geholt werden, um eine gemeinsame Mehrheit zu erhalten.

Politiker vom linken Flügel der Grünen sind von solchen Vorhaben nicht begeistert. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Grüne Jugend Koalitionen mit der CSU per Beschluss eine Absage erteilt und die Politik der bayerischen Partei als rassistisch und nationalistisch eingestuft. Nun will die Jugendorganisation an diesem Wochenende bei ihrem Bundeskongress in Heidelberg Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung im Bund formulieren. Aus Sicht der Grünen Jugend dürfen dabei einige rote Linien nicht überschritten werden. Im Leitantrag des Bundesvorstands des Parteinachwuchses, dem etwa 8000 Menschen bis zum Alter von 28 Jahren angehören, heißt es zudem, dass sich die Partei »in möglichen Koalitionsverhandlungen nicht auf faule Kompromisse« einlassen dürfe.

Die beiden Bundessprecher Jamila Schäfer und Moritz Heuberger erklärten am Donnerstag vor Journalisten, dass die Grünen mehr Mut zur Zuspitzung haben müssten. Zudem beklagten sie »einen gewissen Profilverlust der Partei«. Wichtigste Ziele im Programmprozess und in möglichen Koalitionsgesprächen sind laut ihrem Leitantrag unter anderem die Rücknahme des Flüchtlingsdeals der EU mit der Türkei und der Asylrechtsverschärfungen in den vergangenen Jahren. Stattdessen werden humanitäre Visa und legale Fluchtwege gefordert. Zudem verlangt die Grüne Jugend die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen sowie die Einführung einer Mindestausbildungsvergütung. Mit der Union wäre eine Einigung bei diesen Punkten praktisch ausgeschlossen.

Die roten Linien der Parteispitze sind bislang blasser. Sie hatte versprochen, in keinem Fall einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen zuzustimmen, wie sie die CSU fordert. Von führenden Grünen war außerdem zu hören, dass sie nicht auf die Beteiligung deutscher Soldaten an UN-Einsätzen zur »Friedenssicherung« verzichten wollen. Dies würde gegen eine Koalition mit der LINKEN sprechen.

Noch ist offen, welche Anliegen des Jugendverbands beim Berliner Bundesparteitag der Grünen im Juni diskutiert werden. In der Vergangenheit hatte die Grüne Jugend mit anderen Basislinken einige Überraschungserfolge erzielt. So erhielt die Forderung nach einem Stopp des Einsatzes von V-Leuten im Verfassungsschutz auf dem Programmparteitag für die Bundestagswahl 2013 gegen den Willen der Parteispitze eine knappe Mehrheit.

Die Führung der Grünen gilt heute im Vergleich zu damals als noch schwächer. Die Unzufriedenheit in den eigenen Reihen dürfte wachsen, wenn sich der von Umfrageinstituten prognostizierte Abwärtstrend der Partei bestätigen sollte. Mit wie viel Zuspruch die Grünen noch rechnen können, werden im Mai die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeigen.

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