Die Demontage der AfD-Chefin Petry

Warum die Vorsitzende vor dem Bundesparteitag in Köln im internen Machtkampf der Rechten schlechter als je zuvor dasteht

  • Robert D.Meyer
  • Lesedauer: 5 Min.

Wie steht es um die politische Zukunft von Frauke Petry? Nachdem die AfD-Chefin am Mittwoch per Videobotschaft ihren Verzicht auf eine mögliche Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl erklärt hatte, waren sich die politischen Kommentatoren von »FAZ« über »Spiegel Online« bis hin zur »Süddeutschen« einig: Bei Petrys Erklärung kann es sich nur um ein weiteres taktisches Manöver im innerparteilichen Machtkampf handeln. Der AfD-Chefin wäre solch ein Schachzug grundsätzlich zuzutrauen. Petrys Agieren zeichnete sich in der Vergangenheit oft dadurch aus, dass sie ihre Chancen auf Erfolg klar abwog, bevor sie zur Attacke gegen ihre Widersacher überging. Wer damals im Sommer 2015 den Essener Parteitag etwas genauer verfolgte, konnte beobachten, dass die Stimmung unter den Delegierten gegenüber dem damaligen Parteichef Bernd Lucke milde ausgedrückt mehrheitlich feindlich gesinnt war. Petry wusste damals um diesen Moment, kalkulierte kühl ihre Siegeschancen und löste Lucke als neue Nummer eins der Rechtsaußenpartei ab.

Zwei Jahre später hat sich die innere Verfasstheit der AfD allerdings stark gewandelt. Während Petry sich früher der Unterstützung durch die Parteibasis sicher sein konnte, schafft sie es inzwischen nicht einmal mehr, ihren eigenen Landesverband geschlossen hinter sich zu vereinen. Zwar war ihr der Spitzenplatz auf der sächsischen Landesliste zur Bundestagswahl nicht zu nehmen, doch direkt hinter ihr folgt mit Jens Maier ein erklärter Unterstützer ihres Widersachers Björn Höcke. Doppelt bitter für Petry: Maier holte nicht nur ein besseres Stimmenergebnis als die Parteichefin, sie scheiterte auch klar mit dem Versuch, den »kleinen Höcke« für seine Dresdner Rede zu Jahresbeginn mit einem Parteiausschlussverfahren zu sanktionieren. Im wahrsten Sinne des Wortes trieben die Delegierten Petry Tränen in die Augen.

Von da an ging für Petry in Vorbereitung auf den Kölner Parteitag fast alles schief. Ihr einziger Erfolg in den letzten Monaten blieb das Ausschlussverfahren gegen Höcke, für das sie im zweiten Anlauf eine Mehrheit im Bundesvorstand erhielt. Aber auch hier hat die Medaille zwei Seiten: Ob das Verfahren erfolgreich sein wird, ist mehr als ungewiss, zumal sich Höcke aus strategischen Gründen zuletzt mit neuen Brandreden zurückhielt. Im Ausschlussverfahren kann er sich so als Geläuteter inszenieren, der Besserung gelobt. Vor der Bundestagswahl dürfte es ohnehin zu keiner Entscheidung kommen.

Als Petry schließlich vor zwei Wochen mit ihrem »Zukunftsantrag« an die Öffentlichkeit ging, wirkte es nur oberflächlich so, als könnte die AfD-Chefin mit ihrer Offensive weiteren Boden gut machen. Allein der Umstand, dass das Papier bei keinem prominenten Parteimitglied auf Unterstützung traf, spricht Bände über eine isoliert agierende Vorsitzende. Dass sie ihren Antrag ohne weiteren Fürsprecher aus der Führungsspitze bei den Delegierten durchbekommt, ist zudem zweifelhaft. Stattdessen werfen ihre Kritiker Petry nun vor, die Partei spalten zu wollen, in dem sie von zwei Lagern aus »Fundamentaloppositionellen« und »Realpolitikern« fantasiere.

Näher an der Wahrheit war diesbezüglich Parteivize Alexander Gauland. Obwohl er ebenfalls nichts von Petrys Plan hält, die AfD mittelfristig koalitionsfähig aufzustellen, gab er sich gönnerhaft. Sollte der namentliche Verweis auf seine Person aus dem Antrag verschwinden, könne er dem Papier seine Zustimmung erteilen. Sein Signal dürfte somit heißen: Beschlossenes Papier ist nicht nur geduldig, in diesem Fall ist es uns sogar egal, weil die Sachlage in einem halben Jahr ohnehin schon wieder eine andere sein könnte.

Dann hofft die AfD, als Oppositionspartei im Bundestag zu sitzen. Petry dürfte ein Mandat ebenso sicher sein wie ihrem Widersacher Gauland, der ohnehin den Eindruck erweckt, zunehmend als grauer Patriarch aus dem Hintergrund die Partei zu lenken. Stimmt es, was der Spiegel vor einigen Tagen über ein angebliches Geheimtreffen der Petry-Gegner berichtete, dann dürfte die große Überraschung auf dem Kölner Parteitag wahrscheinlich ausfallen. An dem Treffen in Goslar sollen neben beiden Parteifreunden Gauland und Höcke auch die beiden Bundesvorstandsmitglieder Armin Paul Hampel und Andre Poggenburg sowie der baden-württembergische Landeschef Ralf Özkara teilgenommen haben. Es heißt, die Gruppe habe sich intern auf Gauland und Alice Weidel als herausragender Teil eines möglichen Spitzenteams verständigt, dessen letztliche Größe vom Parteitag noch bestimmt werden muss.

Weidel als Teil des Führungszirkels wäre aus mehreren Gründen ein interessanter Schachzug, für den laut »Spiegel« Gauland vehement geworben haben soll. Die Ökonomin gilt eigentlich als eine der wichtigsten Unterstützerinnen für einen Rauswurf Höckes. Sollte sie auf dem Parteitag jedoch offen von Gauland unterstützt werden, wäre Weidel ihm wohl einen Gefallen schuldig und müsste sich dann erst einmal mit dem Thüringer Landeschef arrangieren. Interessant ist die Personalfrage aber auch deshalb, weil die Parteifunktionärin aus Baden-Württemberg im vergangenen Jahr schon einmal als Spitzenkandidatin von prominenter Stelle ins Spiel gebracht worden war. Co-Parteichef Jörg Meuthen hatte sie in den höchsten Tönen angepriesen, sich aber zunächst eine Abfuhr eingefangen. Weidel beteuerte damals, sie wolle nicht in Konkurrenz zu Petry treten und verzichtete daher auf eine mögliche Kandidatur. Bekanntlich hat sich die Situation aber nun gedreht. Statt Frauke Petry könnte bald Alice Weidel im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.

Und um die Parteichefin noch weiter zu demütigen und letztlich irgendwann völlig zu demontieren, bereiten die Petry-Gegner bereits ihren nächsten Schritt vor. Wie Hampel dem »Spiegel« erklärte, stehe es Petry nicht zu, in einer künftigen AfD-Bundestagsfraktion eine wichtige Führungsrolle zu übernehmen. »Eine Parteivorsitzende, die sich weigert, im Spitzenteam bei so einer wichtigen Wahl mitzuarbeiten, gibt ihren Führungsanspruch in der Partei auf«, lautet sein vernichtendes Urteil. Co-Chef Meuthen stieß ins gleiche Horn und argumentierte, nur wer dem Spitzenteam im Wahlkampf angehöre, hätte auch Aussichten auf den Fraktionsvorsitz. Ähnlich äußerte sich Poggenburg.

Für Petry könnten die Ausgangsbedingungen kaum ernüchternder sein. Im aus ihrer Sicht schlimmsten Szenario wird ihr Antrag auf dem Parteitag nicht einmal behandelt. Selbst für den Fall, sie käme durch, heißt dies noch lange nicht, dass sie die Oberhand in der Partei wiedergewonnen hätte. Durch ihren Alleingang könnte sie sich endgültig selbst demontiert haben.

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