Werbung

Sterbendes Unfallopfer rassistisch beleidigt

Ägyptische Studentin läuft in Cottbus vor Auto und erliegt ihren Verletzungen. Sie soll noch verhöhnt worden sein

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Ostern, in der Nacht zum Sonnabend um 0.27 Uhr, trat eine Studentin in Cottbus aus einer Personengruppe heraus unvermittelt auf die Fahrbahn. An der Straßenbahnhaltestelle an der Stadthalle sauste gerade ein Pkw vorbei, konnte nicht mehr ausweichen und erfasste die 22-Jährige. Sie erlitt schwerste Verletzungen und starb vier Tage später im Carl-Thiem-Klinikum. Ob das Auto mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, muss noch geklärt werden.

Für Fassungslosigkeit sorgen aber die Aussagen einer Abiturientin, die von dem Unfall selbst nichts weiter mitbekam, als dass sie einen Knall hörte. Sie beobachtete aber, wie Passanten erste Hilfe leisteten und registrierte dabei das unglaubliche Benehmen der Beifahrer. Diese sollen, wie jetzt bekannt wurde, nicht nur untätig dabei gestanden haben, sondern die Frau, die mit dem Tode rang, verhöhnt und rassistisch beleidigt haben. Die junge Frau, die Architektur studierte, stammte aus Ägypten.

Es sollen Bemerkungen gefallen sein wie: »Ja, mir ist klar, dass es bei euch keine Straßen gibt, aber in Deutschland muss man eben auf die Straßen gucken« und »Verpisst euch doch einfach wieder in euer Land, dann werdet ihr auch nicht angefahren - scheiß Asylanten«. Dazu sollen sie gelacht haben.

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt deswegen nun wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Das Verfahren richte sich zunächst gegen unbekannt, erläuterte Sprecherin Petra Hertwig am Mittwochabend. Es müsse noch geprüft werden, ob es wirklich der Autoinsassen waren, die die Äußerungen machten. Dies hatten Zeugen ausgesagt, erklärte Hertwig. Es werden nun weitere Zeugen vernommen. Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) zeigte sich erschüttert und entsetzt über die Umstände des Todes der Gaststudentin. Sie forderte am Donnerstag schnellstmögliche Aufklärung. »Dass eine junge, tödlich verletzte Frau mitten in Cottbus nach einem Unfall noch fremdenfeindlich und rassistisch beleidigt wird, ist unfassbar und abscheulich. Wenn die Vorwürfe so zutreffen, ist dieser Vorfall eine Schande«, sagte Münch. »Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt den Angehörigen und denjenigen, die dem Opfer nahestanden.« »Ausländische Studierende, Lehrende und Forscher sind in Cottbus und im Land Brandenburg herzlich willkommen«, versicherte die Ministerin. »Sie stärken unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen, sorgen dafür, dass das Land im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt ist und sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.«

Auch die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) ist bestürzt. Sollten sich die Meldungen auch nur teilweise bestätigen, »hätten wir es hier mit einem besonders perfiden Fall von Menschen- und Fremdenfeindlichkeit zu tun«, sagte Nonnemacher. Sie kündigte an, im Innenausschuss des Landtags einen Bericht zu beantragen. Dabei möchte sie auch Auskunft erhalten, ob die Polizei den ausländerfeindlichen Äußerungen anfangs wirklich nicht von selbst nachgegangen sei.

Die Abiturientin Josefine benötigte einige Tage, um das Erlebnis zu verarbeiten. Dann erzählte sie im Jugendklub des Piccolo-Theaters davon, und Klubleiter Matthias Heine riet ihr, die Sache öffentlich zu machen. So erzählte Josefine der »Lausitzer Rundschau« die Geschichte und diese Zeitung berichtete dann zuerst. Inzwischen wurde Josefine auch von der Staatsanwaltschaft vernommen. Laut »Rundschau« brachte Klubleiter Heine gerade mit 14 jungen Menschen das Stück »KRG« auf die Bühne. In dem Stück versinkt Europa im Krieg. Den Menschen bleibt nur die Flucht - in ein ägyptisches Flüchtlingslager.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.