NPD scheitert mit Maulkorb für Politologen Kailitz
Landgericht Dresden weist Klage wegen Behauptung zu geplanten »Staatsverbrechen« ab
Die NPD ist mit ihrem Versuch gescheitert, dem Dresdner Politikwissenschaftler Steffen Kailitz einen Maulkorb verpassen zu lassen. Die rechtsextreme Partei wollte ihm die Behauptung untersagen lassen, sie plane »rassistisch motivierte Staatsverbrechen« und wolle bis zu elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter viele Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Das Landgericht Dresden sieht in den Äußerungen indes eine zulässige Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung. Der Vorsitzende Richter Christoph Wittenstein sagte, die Zitate hätten »aus unserer Sicht wertenden Charakter«.
Die NPD hatte geklagt, nachdem der am Dresdner Hannah-Arendt-Institut beschäftigte Kailitz im Mai 2016 einen Artikel bei Zeit-Online veröffentlicht hatte. Das Landgericht hatte den Antrag der rechtsextremen Partei zunächst in einer Eilentscheidung ohne mündliche Verhandlung stattgegeben, was bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte; die Rede war von einer Beschneidung der Wissenschaftsfreiheit.
Der zuständige Richter hieß damals Jens Maier. Als AfD-Politiker fiel er später mit Äußerungen zu einem angeblichen »Schuldkult« der Deutschen und der Herstellung von »Mischvölkern« auf. Bei der Rede des Thüringer Parteichefs Björn Höcke im Dresdner Brauhaus Watzke war Maier als dessen Vorredner aufgetreten und hatte dabei auch die NPD gelobt. Diese sei die einzige Partei gewesen, die »immer geschlossen zu Deutschland gestanden« habe. Die Rede hatten für Maier berufliche und politische Konsequenzen. Das Landgericht entzog ihm danach die Zuständigkeit für Presse- und Medienrecht. Seine Partei gab ihm derweil ein sicheres Ticket für den Bundestag: Auf der Landesliste für die Wahl am 24. September steht er hinter Bundeschefin Frauke Petry auf Platz 2.
Angesichts seiner seither öffentlich gewordenen Einstellung wundert die Nachsicht nicht, die Maier in einer noch von ihm geleiteten mündlichen Verhandlung im Juni 2016 gegenüber der NPD an den Tag gelegt hatte. Er verglich Passagen zur »Rückführung« von Ausländern aus dem Programm der NPD mit Thesen der Hitler-Partei NSDAP von 1920 und kam zu dem Schluss, das sei »doch eine ganz andere Diktion«. Immerhin sehe die NPD eine »gesetzliche Grundlage« vor, sagte Maier. Kailitz äußerte sich nach der Urteilsverkündung überzeugt, dass dieser in dem Rechtsstreit anders geurteilt hätte.
Die nun zuständige Kammer verwies indes auf Passagen im NPD-Programm zu »Rückkehrpflicht statt Bleiberecht« für Nichtdeutsche. Dass diese auf freiwilliger Basis durchgesetzt werden solle, sei nirgends ausgeführt. Wittenstein sagte, man könne daher »auf die Idee kommen«, dass Kailitz' Behauptung gerechtfertigt sei. Als Beleg dafür, dass diese nicht »ins Blaue hinein« erfolge, wertete er zudem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren. Dort war Kailitz als Experte angehört worden und hatte ähnlich argumentiert wie in dem Zeitungsbeitrag. Seine Einschätzung nannten die Karlsruher Richter in ihrem späteren Urteil »nachvollziehbar«.
Dem jetzigen Dresdner Urteil ging zudem bereits ein ähnlicher Richterspruch in Berlin voran. Dort hatte Kailitz seinerseits die NPD verklagt. Mit einer »negativen Feststellungsklage« wollte er klarstellen lassen, dass die rechtsextreme Partei seine Äußerungen nicht gerichtlich anfechten darf. Das Landgericht entschied zwar nicht in der Sache, bürdete der NPD aber die Verfahrenskosten auf, weil Kailitz' Klage Erfolg gehabt hätte. Das Kammergericht bestätigte die Entscheidung. Gegen den jetzigen Dresdner Richterspruch, dessen Verkündung sie fernblieb, könnte die NPD noch beim Dresdner Oberlandesgericht Beschwerde einlegen.
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