Brasilien: Generalstreik gegen Temers Kürzungspläne
Gegen Renten- und Arbeitsmarktreform: 40 Millionen legen laut Gewerkschaften die Arbeit nieder / Zusammenstöße mit der Polizei
Berlin. Brasilien hat die Arbeit niedergelegt - aus Protest gegen eine Arbeitsmarktreform der Rechtsregierung von Präsident Michel Temer, die eine Ausweitung von Arbeitszeiten, eine Beschneidung der Mitsprache von Gewerkschaften und die Zahlung von Kosten bei Arbeitsprozessen durch die Angestellten vorsieht. Eine derartige Massenarbeitsniederlegung hatte es seit über 20 Jahren nicht mehr gegeben. Der öffentliche Nahverkehr bei Bussen und Bahnen lag vielerorts brach, Straßen wurden blockiert, die Metro São Paulo konnte nur sehr eingeschränkt fahren. Viele Schulen und Banken blieben geschlossen. In der Hauptstadt Brasília sperrte die Polizei den Zugang zu den Regierungsgebäuden ab.
Alle großen Gewerkschaften hatten zu dem Streik aufgerufen. Landesweit beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben 40 Millionen Menschen an dem Ausstand. In mehreren Städten kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Barrikaden brannten, Dutzende Menschen wurden den Behörden zufolge festgenommen. In Rio de Janeiro steckten Demonstranten mehrere Busse in Brand, in der Wirtschaftsmetropole São Paulo setzte die Polizei bei Zusammenstößen Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein. Dort eskalierte die Gewalt, nachdem Demonstranten versuchten, zum privaten Wohnsitz von Staatschef Temer zu gelangen. Die Demonstranten warfen Steine auf die Beamten.
Die Regierung Temer strebt an, die Staatsausgaben für die kommenden 20 Jahre einzufrieren. Temer will mit der Deckelung der Staatsausgaben den Haushalt sanieren, doch werfen seine Gegner ihm vor, damit die ohnehin prekäre Finanzlage des öffentlichen Sektors dramatisch zu verschlechtern, was vor allem die Ärmsten treffen dürfte, die auf die Staatsprogramme angewiesen sind.
Besonders umstritten ist Temers Plan, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre für Männer und 62 Jahre für Frauen anzuheben. Derzeit können Männer bereits mit 60 Jahren und Frauen mit 55 Jahren in Rente gehen. Das Land steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, über zwölf Millionen Menschen sind arbeitslos. Der letzte Generalstreik richtete sich während der Präsidentschaft von Fernando Henrique Cardoso gegen hohe Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne. Agenturen/nd
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