Sitzvolleyball und der Tod

In Bosniens Erde bedrohen noch 80 000 Landminen die Menschen

  • Elke Windisch, Dubrovnik
  • Lesedauer: 3 Min.

Gesunde Beine sind beim Sitzvolleyball eher ein Nachteil. Die Spieler sitzen auf dem Boden. In Bosnien/Herzegowina, einem Land mit weniger als vier Millionen Einwohnern, gibt es fast zwei Dutzend Sitzvolleyball-Klubs. Die Nationalmannschaft holte mehrfach Gold bei Weltmeisterschaften und den Paralympics. In Rio reichte es nur für Silber. Doch ausgerechnet die behinderten Sportler erkämpften bei den Spielen im Sommer 2016 die einzige Medaille für ihr Land.

Es ist bereits die zweite Generation von Kriegsopfern, die heute spielt. Safet Alibašić, inzwischen 35, war zwölf Jahre alt, als er das linke Bein verlor. Als der Bosnienkrieg schon zu Ende war, trat er beim Spielen auf eine Mine. Sie lag im Gemüsegarten hinter dem Wohnhaus der Familie in Banja Luka.

Nachwuchssorgen beschäftigen die Sitzvolleyballclubs nicht. Bosnien ist - mehr als 25 Jahre nach dem Krieg - noch immer eines der am dichtesten verminten Länder weltweit. Schätzungsweise 80 000 Landminen liegen noch in der geschundenen Erde und gefährden mehr als eine halbe Million Menschen.

Die tödliche Gefahr lauert überall. Ausländische Besucher werden noch im Nachhinein kalkweiß, wenn sie abends beim Blättern im Reiseführer erfahren, in welcher Gefahr sie beim Pinkeln nachmittags schwebten und sich fragten, was es wohl mit der Kette leerer Bierdosen auf sich hat, die im Gebüsch hing.

Auf dem Pfaffenfeld, einer der fruchtbarsten Gegenden in der Westherzegowina, keine 20 Kilometer von den Ferienorten im Umland von Dubrovnik entfernt, liegt die Hälfte der Felder wegen Minen noch immer brach. Mitte März fuhr ein Bauer mit dem Traktor auf eine Landmine und verletzte sich schwer.

Insgesamt gab es nach dem Bosnien-Krieg, der 1995 zu Ende war, 1751 Unfälle mit Landminen, 612 davon mit tödlichem Ausgang. Unter den Toten waren 51 ausgebildete Minenräumer. Allein im letzten Jahr starben noch zwölf Menschen.

Knapp 1100 Quadratkilometer des Landes sind nach wie vor vermint. Mindestens. Wegen der Erdrutsche, die ausgelöst wurden durch eine verheerende Überschwemmung im Sommer 2014, könnte die Dunkelziffer weitaus höher liegen, fürchtet Katastrophenschützer Fahrudin Solak, Sein Trupp, sagt er, habe danach sogar im zweiten Stock eines Wohnhauses in Maglaj eine Mine gefunden.

Frühestens im Jahre 2025 werde Bosnien minenfrei sein, glauben selbst optimistische Experten. Obwohl die im Boden lauernde Gefahr das Haupthindernis dafür ist, dass die beiden wichtigsten Wirtschaftszweige - Landwirtschaft und Tourismus - nicht auf die Füße kommen, gehört Entminung nicht zu den vorrangigen Aufgaben der bosnischen Regierung. Symbolische 100 000 Bosnische Mark - ihr Wert entspricht exakt dem der alten Deutschen Mark - habe die Zentralregierung in Sarajevo in diesem Jahr für Minenräumung bewilligt, empört sich Katastrophenschütz Solak. Gebraucht würden jedoch 80 Millionen.

Wegen chronischer Ebbe in den Kassen, so Bosniens oberster Minenräumer Saša Obradović, sei man ohnehin vier Jahre hinter dem Plan zurück. Sezin Sinanoglu, die Bosnien-Koordinatorin der UNO, hält das einst ähnlich verminte afrikanische Mosambik als Beispiel vor. »Pessimisten meinten, das Land werde noch nach 100 Jahren nicht minenfrei sein. die Mosambikaner haben es dennoch in nur 20 Jahren geschafft.«

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