Ein friedlicher 1. Mai mit ein bisschen Gewaltfolklore
72 Festnahmen bei unangemeldeter Demo in Kreuzberg, 32 Beamte verletzt - Innensenator und Polizeiführung ziehen insgesamt positive Bilanz
Im Wesentlichen zeigten sich Innensenator Andreas Geisel (SPD), Polizeipräsident Klaus Kandt und Polizei-Einsatzleiter Siegfried-Peter Wulff zufrieden mit dem Verlauf des 1. Mai in der Hauptstadt. Berlin habe gezeigt, wie es den 1. Mai begehen will, sagte Geisel am Dienstag auf der Bilanz-Pressekonferenz, es wolle nämlich »friedlich feiern und selbstbewusst demonstrieren«. Daran ändere auch nichts, dass auch diesmal wieder einige Ewiggestrige die Konfrontation mit der Polizei gesucht hätten. »Die Menschen haben sehr deutlich gemacht: Wir haben keine Lust mehr auf Steineschmeißer und dumpfe Gewalt«, sagte Geisel.
Der Innensenator informierte darüber, dass im Zusammenhang mit Straftaten im Verlauf der »Revolutionären 1. Mai Demonstration« in Kreuzberg 72 Personen, zumeist Berliner, festgenommen wurden. Zudem seien im Verlaufe des »Myfestes« rund 30 Festnahmen im Zusammenhang mit allgemeiner Kriminalität - Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Taschendiebstahl - erfolgt. 32 Polizisten seien bei Auseinandersetzungen mit Gewalttätern verletzt worden. Der Senator dankte den insgesamt rund 5400 Einsatzkräften der Polizei aus Berlin, Brandenburg sowie mehreren anderen Bundesländern sowie der Bundespolizei für ihren erfolgreichen Einsatz.
Erneut verteidigte Andreas Geisel die Entscheidung, die nicht angemeldete »revolutionäre« Demonstration nach 18 Uhr auch durch Bereiche des »Myfestes« ziehen zu lassen. Dies sei in Würdigung des hohen Gutes der Demonstrationsfreiheit geschehen. »Die Polizei hat hier mit dem richtigen Augenmaß entschieden. Es wäre unverantwortlich gewesen, den Aufzug zu unterbinden. Das wäre nicht von der Rechtslage gedeckt gewesen und hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Gewalt mitten im Myfest geführt«, betonte der Innensenator. »Die Entscheidung wurde im Sinne der friedlich Feiernden gefällt.« Man habe selbst kurz vor Beginn der Demonstration mit namentlich bekannten Personen das Gespräch gesucht. Dies sei aber abgelehnt worden. Jetzt würden selbstverständlich Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.
Nach Einschätzung des Polizeipräsidenten ist die Einsatztaktik der Polizei aufgegangen. So sei der Demonstrationszug von Anfang an eng durch Beamte begleitet worden. Anders als in den Vorjahren haben das die Feiernden zumeist positiv aufgenommen. »Die Zeiten sind vorbei, in denen wir nur ein Feindbild waren.«
Bei dem Protestzug, an dem laut Polizei rund 10 000 Menschen teilnahmen, war es wiederholt zu Angriffen gegen Polizisten gekommen. Vermummte warfen mit Flaschen, Böllern, zündeten Bengalfeuer und attackierten Beamte mit Fahnenstangen. Kandt und Einsatzleiter Wulff bezifferten die potenziellen Gewalttäter an der Spitze des Demonstrationszuges auf rund 1000 Personen. Die Beamten hätten zurückhaltend agiert und Straftaten möglichst lückenlos gerichtsfest dokumentiert. Viele Festnahmen seien erst bei Demonstrationsende erfolgt.
Auch nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist das Einsatzkonzept aufgegangen. Die Beamten seien taktisch sehr gut eingestellt gewesen und hätten so mögliche Eskalationen verhindert.
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