Weg von der grünen Wiese

Infrastrukturausschuss des Landtags hört Experten zum neuen Landesentwicklungsplan

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor einem Einkaufszentrum auf der grünen Wiese finde man schnell einen Parkplatz, doch für die Innenstädte seien solche Einkaufszentren schädlich, erinnert Eberswaldes Bürgermeister Friedhelm Boginski (FDP) an eine bittere Erfahrung der 1990er Jahre. Es sollten keine neuen mehr zugelassen werden, findet er.

Boginski äußert sich am Donnerstag bei einer Anhörung im Infrastrukturausschuss des Landtags. Es geht um einen neuen Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, kurz: LEP HR. Das klingt sehr trocken. Tatsächlich handelt es sich um ein sprödes Thema. Allerdings kann so ein Entwicklungsplan erhebliche Auswirkungen haben und viele Einwohner ganz konkret betreffen. Der Plan gibt nämlich unter anderem grob vor, wo und in welchem Umfang Siedlungen, Gewerbegebiete und Einzelhandelsflächen entstehen dürfen, wo künftig Schulen, Krankenhäuser und Apotheken zu finden sein werden.

»Das ist für die Menschen von großer Bedeutung«, betont Stefan Graf vom Städte- und Gemeindebund. Er glaubt, der neue Landesentwicklungsplan sei eine Reaktion auf ein Urteil aus dem Jahr 2014. Das Oberverwaltungsgericht hatte den damals gültigen Landesentwicklungsplan wegen eines Formfehlers für unwirksam erklärt. Der Ausgangspunkt des Rechtsstreits: 2009 schaffte eine SPD/CDU-Regierung die 110 sogenannten Grundzentren ab und leitete damit bestimmte künftige Ansiedlungen auf 50 Mittelzentren und vier Oberzentren um.

Wildwuchs vermeiden, Kräfte konzentrieren und die Entwicklung auf geeignete Standorte lenken, dies ist auch das Motto des neuen Landesentwicklungsplans. Damit ist Stefan Graf vom Städte- und Gemeindebund nicht einverstanden. Das Netz der Mittelzentren sei zu weitmaschig, rügt er. Falsch findet Graf auch die planerische Dreiteilung der Hauptstadtregion: »In der Mitte ist Berlin. Wir betrachten unser Land nur von Berlin aus. Dann gibt es das Umland und den weiteren Metropolenraum.« Daran werde festgehalten, obwohl sich in den zurückliegenden zehn Jahren viel geändert habe. Die Abwanderung sei beispielsweise gestoppt, die Steuereinnahmen bewegten sich auf Rekordniveau, betont Graf.

Trotzdem: Es müsse verhindert werden, dass jede Gemeinde überdimensionierte Gewerbegebiete einrichtet, warnt Hans-Heinrich Blotevogel, Professor für Angewandte Geografie an der Universität Wien. Blotevogel lobt die gemeinsame Landesplanung von Berlin und Brandenburg. Wien und Niederösterreich arbeiten leider nicht derartig zusammen, bedauert der Professor. Es müsse darum gehen, Einzelhandel auf der grünen Wiese zu verhindern. Die Raumordnung könne Factory Outlet Center mit Fabrikverkauf zwar nicht verhindern, könne aber sagen: »Nicht überall!« Ohne eine Bündelung in den Mittelzentren werde man einer »Erosion der Daseinsvorsorge« in den ländlichen Gegenden nicht entgegenwirken können, meint Blotevogel. Er rät, Siedlungen entlang von Verkehrsachsen so anzulegen, dass die Bewohner nicht aufs Auto angewiesen sind, sondern Bus und Bahn benutzen können. Für diesen Umweltaspekt erwärmt sich die Abgeordnete Anita Tack (LINKE). Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig (LINKE) fehlt im Entwicklungsplan ein Anreiz, mit freien Flächen nicht zu großzügig umzugehen.

Die Abschaffung der Grundzentren hatte 2009 den Landtagswahlkampf beeinflusst. Die bis zu dieser Wahl noch oppositionelle Linksfraktion hatte der SPD/CDU-Koalition den Vorwurf gemacht, mit einem Fokus auf das Berliner Umland die übrigen Regionen Brandenburgs zu vernachlässigen. Um zu demonstrieren, dass es keineswegs so sei, hatte der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) extra seinen Wahlkreis in Potsdam abgegeben und in der Uckermark kandidiert.

Eberswalde im Landkreis Barnim liegt irgendwo zwischen Berliner Umland und entlegenen Gegenden, steht hinter den Kommunen des Speckgürtels »in der zweiten Reihe«, wie Bürgermeister Boginski sagt. Vor der Wende zählte die Stadt 52.000 Einwohner. 2012 war der Tiefpunkt mit 39.000 Einwohnern. Inzwischen seien es wieder 41.000 Einwohner, freut sich Boginski. Bürger waren aufs Dorf oder nach Westdeutschland gezogen und kehrten nun zurück.

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