Kampf um jeden Industriearbeitsplatz

Unternehmerverbände fordern vom Land mehr Investitionen in Fachkräftenachwuchs und moderne Infrastruktur

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Im März hat die Regierung Halbzeitbilanz gezogen. Nun, rund 900 Tage vor der nächsten Wahl, legten am Donnerstag die Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB) in Potsdam ihre Sicht der Dinge dar. Folgt man UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck, so befindet sich die Wirtschaft auf Erfolgskurs, sieht sich aber großen Herausforderungen gegenüber. Man kämpfe um jeden Industriearbeitsplatz.

Amsinck verwies auf die erfreuliche Entwicklung am Arbeitsmarkt. Die am Vortag durch die Bundesanstalt für Arbeit vorgelegten Zahlen belegten einen seit Monaten anhaltenden Trend. »Wir hoffen, diesen Trend halten zu können und so auch im Jahresdurchschnitt unter die 100 000 Arbeitslose zu kommen«, sagte er. Seit 2005 seien 120 000 Arbeitsplätze geschaffen worden, die Zahl der Beschäftigten in Brandenburg sei auf 824 000 gestiegen. Die massiven Arbeitsplatzverluste nach der Wende seien zum großen Teil ausgeglichen worden. 2017 erwartet der UVB weitere 9400 neue Stellen.

»Doch es reicht nicht aus, den Blick einzig auf die Arbeitslosenquote zu richten«, sagte der UVB-Chef. »In den Vordergrund rückt die Frage: Wie gelingt es uns künftig, offene Stellen auch qualifiziert zu besetzen?«

Nach Einschätzung des UVB belegte Brandenburg im Wachstumsvergleich der Bundesländer 2016 nur einen Rang im Mittelfeld, schöpft aber sein Potenzial bei Weitem nicht aus. Um bis zum Ende der Legislaturperiode 2019 aufzuholen, müsse das Land ein stärkeres Wirtschaftswachstum erreichen. Doch dazu bedürfe es zusätzlicher Impulse durch die Landesregierung. »Ein ausreichendes Fachkräfteangebot und eine leistungsfähigere Infrastruktur sind die Schlüsselfaktoren für mehr Dynamik«, erklärte Amsinck. »Brandenburg kann mehr, wenn sich Politik und Wirtschaft ehrgeizigere Ziele setzen.«

Zum Kernproblem entwickelt sich der Mangel an Fachkräften. Immer mehr Unternehmen haben Probleme, offene Stellen adäquat zu besetzen, so Amsinck. Ein Blick auf die derzeitige Altersstruktur der Beschäftigten offenbare eine Lücke zwischen den über 55-Jährigen (181 000), die bald in Rente gehen, und den unter 30-Jährigen (135 000). »Schon heute dauert es im Schnitt 109 Tage, eine freie Stelle zu besetzen - fast dreimal so lange wie noch im Jahr 2011«, so der UVB-Chef. Das Problem werde sich also künftig noch verschärfen.

Politik und Wirtschaft müssten sich dieser Entwicklung stellen - in Schule und Ausbildung, durch Qualifizierung von Arbeitslosen, durch die Motivierung und Befähigung älterer Menschen, länger im Beruf zu bleiben und durch den Zuzug von Fachkräften von außerhalb.

Sehr gute Möglichkeiten fänden junge Menschen auf dem Ausbildungsmarkt, der aktuell 8073 offene Stellen biete. Auch das Angebot an praxisnahen dualen Studien wachse. »Unser Ziel sind 1000 dual Studierende in Brandenburg für 2019 - aktuell sind es rund 500«, sagt Amsinck. Deutlich mehr Zeit und Aufwand als erhofft benötige die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Bis Ende 2016 seien 1400 von ihnen in sozialversicherungspflichtige Arbeit vermittelt worden.

Brandenburg und Berlin müssten gemeinsam die Infrastruktur modernisieren. Schon jetzt behinderten Engpässe auf Schiene und Straße die Bewältigung der Pendlerströme und des Wirtschaftsverkehrs. Der Flughafen BER mit seinem riesigen Wachstumspotenzial brauche »jede denkbare politische Unterstützung«. Zu langsam komme man beim Thema Breitband-Internet voran. Wolle man konkurrenzfähig bleiben, müssten die wichtigsten Standorte bis 2020 Gigabit-Verbindungen gewährleisten.

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