Butterwegge: Bundeswehr lockt Nazis an

Forscher erkennt strukturelles Problem in der Truppe / Tausend Schuss Munition im Umfeld von Franco A. aufgetaucht / Kommandeur wegen Äußerungen gerügt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge sieht im Bundeswehrskandal um den mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco A. ein strukturelles Problem. Es gebe »geistige Verbindungslinien« zwischen militärischen und extrem rechten Werten wie Kameradschaft, Korpsgeist, Ehre, Treue und Gehorsam, erklärte er in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Alles was die Bundeswehr jungen Männern bietet, wird im rechtsextremen Spektrum geschätzt.« Die Truppe locke Menschen an, »die sich in hierarchischen und autoritären Strukturen wohlfühlen«, so der Armutsforscher.

Franco A. war vergangene Woche unter dem Verdacht verhaftet worden, einen Anschlag geplant zu haben. Danach stellte sich heraus, dass der Bundeswehr schon seit 2014 eindeutige Hinweise auf A.s rassistische Gesinnung vorlagen, ohne dass eingeschritten wurde. Der Offizier hatte zudem monatelang ein Doppelleben geführt und sich als syrischer Flüchtling ausgegeben. Ihm war vom Bundesamt für Migration und Flüchtlings sogar der Status des sogenannten subsidiären Schutzes gewährt worden. Außerdem hat der 28-Jährige eine Liste möglicher Anschlagsziele verfasst – darauf standen unter anderem die Namen die Linkspolitiker Bodo Ramelow und Anne Helm.

Für Butterwegge hat der Wegfall der Wehrpflicht die extrem rechten Strukturen in der Armee begünstigt. »Eigentlich sollte die Bundeswehr ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung sein. Seit sie zur Berufsarmee geworden ist, gelingt ihr das immer weniger.« Als Armee eines demokratischen Staates müsse die Truppe »zusehen, dass sie nicht von Rechtsextremen und Militaristen unterwandert wird«.

Außerdem wurde bekannt, dass bei einem an der Affäre Beteiligten, der ebenfalls festgenommen worden war, erhebliche Mengen verschiedenster Munition gefunden wurden. Es handelt sich dabei unter anderem um rund tausend Schuss Munition, die ganz überwiegend aus ehemaligen Bundeswehrbeständen kommen sollen. Sie sollen offenbar bei Schießübungen entwendet worden seien. Die Munition ist unter anderem für das Sturmgewehr G36 geeignet.

Unterdessen ist nach Informationen der »Bild«-Zeitung ein Ausbildungskommandeur der Truppe, der die Teilnahme einer deutschen Delegation an »Siegesfeiern« in Frankreich verweigert haben soll, gerügt worden. Über die rechten Äußerungen seines Vorgesetzten hatte sich demnach ein Offizier in einer Petition an das Verteidigungsministerium beschwert. »Der kritisierte Vorgesetzte (hat) durch seinen Disziplinarvorgesetzten eine Rüge in Form einer förmlichen Belehrung erhalten«, sagte ein Ministeriumssprecher dem Blatt.

Der Kommandeur soll eine Einladung aus Frankreich zum Weltkriegsgedenken mit den Worten kommentiert haben: »Ich stelle mich doch nicht als Besiegter mit einer deutschen Delegation zu einer Siegesparade. So lange die Franzosen das Ende des Krieges als «victoire» feiern, solange nimmt keine deutsche Delegation, eingeladen oder nicht, an einer solchen Zeremonie teil.« Er allein werde lediglich als Gast des Bürgermeisters bei den Feierlichkeiten zugegen sein.

Im Antwortschreiben des Ministeriums auf die Petition des Beschwerdeführers schrieb dem Bericht zufolge ein Referatsleiter im Januar dieses Jahres: »Der Entschluss, nicht mit einer Delegation, wohl aber persönlich an der Kranzniederlegung am Ehrenmal teilzunehmen, ist nicht zu beanstanden. Die durch Oberstleutnant L. in diesem Zusammenhang getätigten Äußerungen waren unangemessen.« Parallel dazu habe der Kommandeur allerdings auch eine offizielle Rüge erhalten. Agenturen/nd

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