EU wäscht ihre Klimabilanz mit Ex-Kolonien rein
Statt Mittelzusagen einzuhalten, werden Entwicklungsgelder für Programme erneuerbarer Energien umgewidmet
Auf Klimakonferenzen wird mit Millionen und Milliarden nur so um sich geworfen. Dieser Eindruck entsteht jedenfalls seit dem Beschluss des Pariser Klimaabkommens. Auch die Folgekonferenz in Marrakesch im vergangenen November ging mit zahlreichen Ankündigungen von Hilfsprogrammen für arme Länder zu Ende. Ob das Geld jemals fließt oder bei den vom Klimawandel betroffenen Menschen auch wirklich ankommt, ist aber schwer nachzuprüfen. Nun erschüttert ein erster Skandal eines der zentralen Klimaprogramme der UNO.
Die Africa Renewable Energy Initiative (AREI) ist seit dem Pariser Klimagipfel im Jahr 2015 die Vorzeigekampagne zur Förderung dezentraler Energien in Afrika. Zehn Milliarden Euro sagten die G7-Staaten, die EU-Kommission sowie Schweden und die Niederlande zu, um zehn Gigawatt zusätzliche und erneuerbare Energie in afrikanischen Ländern zu installieren - eine große Geste, die sich nun zu einer Vertrauenskrise zwischen armen Ländern und dem Westen auswachsen könnte.
»Als die Africa Renewable Energy Initiative in Paris beschlossen wurde, war das für mich als Afrikaner und Klimaaktivist einer der größten Momente«, schreibt anderthalb Jahre später der Klimaaktivist Mohamed Adow von der Hilfsorganisation Christian Aid. »Nun stellt sich heraus, dass die EU ihre ehemaligen Kolonien ausnutzt, um ihr eigenes Versagen bei der Einsparung von CO2 zu kaschieren und ihre Klimabilanz reinzuwaschen«, schreibt Adow enttäuscht in einem Statement für die britische Newsplattform ClimateHome.
Hintergrund ist der Rücktritt des angesehenen malischen Diplomaten Youba Sokona, der bis Ende April im Vorstand von AREI war. Sokona beklagt, dass einige der bisher 19 genehmigten Projekte ohnehin von der EU eingeplant waren, also das Kriterium der Zusätzlichkeit schlicht nicht erfüllen. Herkömmliche Entwicklungsgelder werden laut diesem Vorwurf demnach einfach umgewidmet. Ein Beispiel ist ein Geothermie-Projekt der EU in Äthiopien, das schon 2014 bewilligt wurde. Hinzu kommt, dass nicht alle Projekte erneuerbare Energien fördern, sondern beispielsweise auch Erdgas nutzen. Ein weiterer Aufreger ist laut Sokonas Angaben, dass Geber wie die EU ihre Projekte ohne Rücksicht auf ihre afrikanischen Partner durchdrücken würden - obwohl es eigentlich als afrikanische Initiative angedacht war. Zudem verblieben viele Energieprojekte in den Händen westlicher Investoren. Bauen diese beispielsweise ein Solarkraftwerk, verkaufen sie den Strom danach an afrikanische Abnehmer und bleiben weiterhin Besitzer.
In den Kriterien von AREI heißt es hingegen eindeutig, dass die Projekte in lokalen oder nationalen Besitz übergehen sollen. Festgeschrieben ist auch, dass alle Gelder zusätzlich fließen müssen und nicht aus alten Verpflichtungen stammen sollen und vor allem, dass - wie der Name der Initiative schon sagt - die Energien »erneuerbar« sind, also Wind, Sonne, Erdwärme oder Biogas gefördert werden.
»Die 19 Projekte trotz der Bedenken derart durchzudrücken, hat dem Vertrauen zwischen Afrika und Europa einen Bärendienst erwiesen«, kritisiert Jan Kowalzig von Oxfam. »Richtig wäre es jetzt, diese 19 Projekte auf die Kriterien und Prinzipien von AREI hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen - das würde verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen.« Dabei sieht Kowalzig vor allem die Bundesregierung in der Pflicht - immerhin sei Deutschland einer der großen Finanziers der Initiative.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.