Jonglieren mit einer traurigen Statistik
Hat NRW die »niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1993«?
Düsseldorf. Die Plakate der NRW-SPD zur Landtagswahl am 14. Mai verkünden für das Bundesland unter anderem diese Erfolgmeldung: »Niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1993«. Die Opposition wähnt das Land dagegen im Dauerstau, verursacht von der rot-grünen Regierung. Wer hat Recht? Tatsache ist: Die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen sinkt laut offizieller Statistik seit Jahren. Tatsache ist aber auch: Sie sinkt deutlich langsamer als im bundesweiten Durchschnitt. Die Schere zum Bundesniveau klafft immer weiter auseinander, unabhängig davon, wer in NRW das Sagen hatte.
Als 2005 erstmals nach Jahrzehnten eine schwarz-gelbe Koalition die Regierungsgeschäfte in Nordrhein-Westfalen übernahm, lag die Arbeitslosigkeit der offiziellen Statistik zufolge um 0,5 Prozentpunkte über dem bundesweiten Durchschnitt. 2010, als die Koalition von CDU und FDP abgewählt wurde, waren es schon 0,9 Prozentpunkte. Dabei war der Trend durchaus positiv: von 12,1 auf neun Prozent sank die Arbeitslosenquote im gleichen Zeitraum in NRW. Bremen, Berlin und die fünf ostdeutschen Bundesländer hatten höhere Quoten.
Seither hat sich Einiges getan: Im März 2017 hatten Sachsen (7,3 Prozent) und Thüringen (6,6) niedrigere Arbeitslosenquoten als Nordrhein-Westfalen. NRW liegt inzwischen gleichauf mit Brandenburg bei 7,6 Prozent - ist also im Mittelfeld der ostdeutschen Bundesländer angekommen. Der westdeutsche Durchschnitt liegt bei 5,5 Prozent.
Vorbei ist es mit dem früher typischen Nord-Süd-Gefälle, bei dem NRW sich im Mittelfeld sehen konnte. Keines der alten Flächenländer hat eine so hohe Arbeitslosigkeit wie Nordrhein-Westfalen, obwohl sich die Arbeitslosenquote in den vergangenen fünf Regierungsjahren von Rot-Grün in NRW um 0,7 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent weiter verringert hat.
NRW habe die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1993, bestätigt die Chefin der NRW-Arbeitsagentur, Christiane Schönefeld, aber mit derzeit mehr als 720 000 auch »so viele Arbeitslose wie Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg zusammen«.
»NRW ist nicht gerade als Wachstumszentrum bekannt. Es gelingt nicht so recht, Neues entstehen zu lassen«, sagt Arbeitsmarktforscher Holger Schäfer vom wirtschaftsnahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). »Es gibt in NRW eine verhärtete Arbeitslosigkeit - Stichwort Hartz IV - mit einer großen Zahl an Menschen, an die man schwer rankommt. Da muss man sich auch fragen, ob die bisherige Strategie richtig ist.«
»Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt nur noch in der Gruppe der Ausländer gestiegen«, heißt es aus dem NRW-Arbeitsministerium. Unter ihnen sei der Anteil der Menschen ohne anerkannte Berufsausbildung besonders hoch. Da NRW einen höheren Ausländeranteil habe, sei auch der Rückgang der Arbeitslosenquote geringer ausgefallen als im Bund.
Vor der Landtagswahl 2012 lag die Quote um 1,3 Prozentpunkte über dem bundesweiten Durchschnitt von sieben Prozent. Inzwischen klafft die Schere noch weiter auseinander: Es sind 1,6 Prozentpunkte - bei einer Bundesquote von sechs Prozent. dpa/nd
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