Rutte lässt sich Zeit
Regierungsbildung in Niederlanden soll stabil sein
Das Schneckentempo ist bewusst gewählt. Rund zwei Monate nach den Wahlen in den Niederlanden stecken die vier Parteien, die die nächste Regierung bilden sollen, noch mitten in den Verhandlungen. Es soll langsam vorangehen, denn 2012 hatten Liberale und Sozialdemokraten für den Geschmack ihrer Anhänger allzu schnell die ideologischen Gräben überbrückt. Und zwischen den jetzt Verhandelnden sind diese Gräben ebenso tief.
Die Wahlen vom 15. März haben für eine nie da gewesene Zersplitterung im Haager Parlament gesorgt: 13 Parteien sind dort vertreten, mindestens vier für eine Mehrheit nötig. Deshalb verhandelt der amtierende Ministerpräsident Marc Rutte von der konservativ-liberalen VVD mit dem christdemokratischen CDA, den sozialliberalen Demokraten 66 und der Partei Grün-Links über eine ungleiche Koalition.
Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Grünen. Sie haben in den Niederlanden noch nie mitregiert, an der Basis sind die Vorbehalte groß. Die Partei hatten ihren Stimmenanteil aber fast vervierfacht. Die anderen Partner scheinen bereit zu sein, ihnen weit entgegen zu kommen. Ende April verständigten sich die Umweltpolitiker der vier verhandelnden Parteien sowie der Sozialdemokraten und der Christen-Union bereits auf ein weitgehendes Maßnahmenpaket zum Klimaschutz: Nach 2025 sollen in den Niederlanden demnach keine Benzin- oder Dieselautos mehr verkauft werden dürfen. Bis 2050 soll der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent sinken, außerdem wollen sie alle Kohlekraftwerke vom Netz nehmen - auch wenn noch umstritten ist, wie schnell.
Die Beschlüsse haben die Fachpolitiker in Form eines Kapitels für den künftigen Koalitionsvertrag verfasst. »Das ist ein überdeutliches Signal für die Regierungsbildung«, sagte der frühere Umweltminister Ed Nijpels von der VVD, die eigentlich als Auto-Partei bekannt ist.
Ob diese Vorschläge auch bei anderen Politikern Rückhalt finden, ist noch offen. Auch in anderen Bereichen vertreten die Parteien ungleiche Auffassungen: VVD und CDA fordern eine strengere Asylpolitik, Grüne und Sozialliberale sind dagegen. Die Demokraten 66 haben den Vorschlag eingebracht, Sterbehilfe auch gesunden Senioren zu ermöglichen, die ihr Leben als erfüllt betrachten - ein Unding für den CDA. Wenn die Koalition regieren will, müsste sie im Sommer den Haushalt für 2018 aufstellen.
Einer schaut bei der Regierungsbildung nur zu: Die Partei von Rechtspopulist Geert Wilders hatte 13 Prozent geschafft - deutlich weniger, als er sich erhofft hatte.
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