Zur Halbzeit schon fast fertig
CDU und SPD in Sachsen stellen neue Koalition nach der Landtagswahl 2019 in Aussicht
Wer kleiner Partner in einer Koalition ist, lernt zuerst Demut. Eine halbe Stunde lang muss Sachsens SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig ertragen, dass CDU-Regierungschef Stanislaw Tillich ihm die Butter vom Brot nimmt. Das schwarz-rote Regierungsbündnis in Dresden zieht Bilanz nach der Hälfte der Wahlperiode; der Ministerpräsident darf als Erster deren Erfolge preisen - und schmückt sich ausgiebig mit Federn aus dem Ressort seines Stellvertreters von der SPD. Der macht gute Miene zum unschönen Spiel: »Stanislaw Tillich und Martin Dulig«, sagt er, »arbeiten gut und konstruktiv zusammen.«
Das ist der Tenor zur Halbzeit der Wahlperiode in Sachsen: Alles paletti, alle beste Freunde. »Die Koalition ist ein Erfolg, und sie funktioniert«, sagt Dulig. CDU-Fraktionschef Frank Kupfer spricht von einer »erfolgreichen Zusammenarbeit«. Dass ein frostiges Klima herrschte, als Dulig über ausländerfeindliche Tendenzen in der sächsischen Polizei sinnierte; dass es um das Schulgesetz ein monatelanges Gezerre gab - kein Thema an diesem Tag. Während LINKE-Fraktionschef Rico Gebhardt von einem »rauen und destruktiven Klima« spricht, legt Tillich den Eindruck nahe, das Kuschelklima im Regierungsbündnis wirke sich selbst in den Betten der Sachsen aus. Das Land, merkt er an, sei zuletzt dreimal in Folge bundesweit Spitze bei der Geburtenzahl gewesen.
Und nicht nur atmosphärisch ist das Bündnis mit sich selbst ausgesprochen zufrieden: Man habe auch geliefert, sagt Tillich. Der Koalitionsvertrag, der nach der Wahl im Herbst 2014 geschlossen wurde, sei »zu zwei Dritteln erfüllt«. Neben dem Schulgesetz werden unter anderem neue Stellen bei Lehrern und Polizisten genannt, bei der SPD auch ein Zuwanderungs- und Integrationskonzept oder der Umstand, dass es bei Fördergeldern einen Bonus für Firmen gibt, die Tarif zahlen. Die Abkehr von der im Freistaat lange offiziell verfochtenen Strategie, Niedriglöhne als Standortvorteil zu verkaufen, lobt auch DGB-Chefin Iris Kloppich: Das sei ein »handfester Strategiewechsel«.
Anderes aber vermisst Kloppich auch nach zweieinhalb Jahren: Gesetze zur Vergabe öffentlicher Aufträge oder zur Gleichstellung etwa. Die Opposition ist noch unzufriedener mit der Koalition. Diese habe »keinen gemeinsamen Plan«, sagt Gebhardt. Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke sagt, ein »Gestaltungsanspruch« sei nicht erkennbar; vieles bleibe »Flickschusterei«. Beim Ausstieg aus der Braunkohle lasse man sich vom Lausitzer Kohleförderer LEAG treiben; in den Kitas sei der Betreuungsschlüssel so minimal verbessert worden, dass Sachsen bundesweit noch immer die rote Laterne trage; und die Überalterung des Landespersonals in Sachsen gehe man nicht an.
Das könnte sich ändern - allerdings womöglich nicht so, wie sich die Opposition das vorstellt. CDU-Fraktionschef Kupfer räumte ein, man müsse »schauen, wie wir die Verwaltung gestalten«. Innerhalb der nächsten zehn Jahre gehe die Hälfte der Beamten in den Ruhestand. Genügend Nachwuchs zu finden, hält Kupfer wohl für illusorisch. Er regte an, mit einem Abbau staatlicher Aufgaben und damit einer reduzierten Stellenzahl zu reagieren. Zwar will er frühere Pläne Tillichs, die Zahl der Landesbediensteten auf 70 000 zu senken, nicht aufwärmen. Man müsse sich aber »überlegen, wo wir mit der Verwaltung stehen wollen«.
Kupfer sieht das als Aufgabe für die nächste Wahlperiode - für die er auch eine Fortsetzung der jetzigen Koalition in Aussicht stellt. Die CDU wolle erneut den Regierungschef in Sachsen stellen, zudem könne er sich »auch vorstellen, dass wir mit der SPD weiter regieren«. Dort scheint er auf offene Ohren zu stoßen. Er freue sich auf die nächsten zweieinhalb Jahre, sagt Fraktionschef Dirk Panter - »und vielleicht auch auf mehr«.
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