Menschliche Komödie
Father John Misty
Die menschliche Existenz als grausamer Witz, lächerliche Farce und große Komödie: »Pure Comedy« heißt das dritte Album des 35-jährigen US-Amerikaners Josh Tillman, ehemals Drummer der sangesseligen Hippie-Folk-Wiedergänger Fleet Foxes. Seit Tillman auf Solopfaden unterwegs ist, nennt er sich ironisch-großspurig Father John Misty. Wobei das mit der Ironie so eine Sache ist. Tillman entstammt einem schwer religiösen evangelikalen Elternhaus, was Spuren hinterlässt, ob man will oder nicht. Den Prediger der (Post-)Apokalypse, der sich gleichwohl nach einem perfekten menschlichen Urzustand sehnt, verkörpert er überzeugend und mit großer Hingabe.
Dass er den quasi-paradiesischen Urzustand kaum zu finden vermag, liegt nicht allein daran, dass es ihn biologisch oder soziologisch betrachtet je so wenig gab wie einen von Thomas Hobbes angenommenen Naturzustand eines Krieges aller gegen alle. Die Frage ist eher, ob Tillman ihn überhaupt so richtig herbeisehnt, selbst wenn er in dem Song »Things it would have been useful to know before the Revolution« die Uhren sehr weit in Richtung Zukunft dreht, in eine Welt, in der scheinbar alles auf Neubeginn steht: »The temperature, it started dropping / And the ice floes began to freeze.«
Den »Father« im Künstlernamen sollte man als Rolle verstehen, die es Tillman - mit viel Schmelz in der Stimme an Elton John und Rufus Wainwright erinnernd - erlaubt, ein ernsthaft-amüsantes Spiel mit Zeichen, Diskursen und tagesaktuellem Wahnsinn zu spielen. So erscheint »der Mensch« in diesem vom melodiestarken Pathos des 70er-Songwriter-Pops und des erlesen kitschigen Softrocks inspirierten Album durchaus widersprüchlich als gottloses Tier, leerlaufende Amüsiermaschine, gefährlicher Waffennarr oder fanatischer Kreationist.
Von religiöser Besessenheit und religiösem Budenzauber hält Tillman nichts, obgleich durch die Zeilen des Titelstücks eine gewisse Faszination scheint: »They worship themselves but they’re totally obsessed / With risen zombies, celestial virgins, magic tricks / In these unbelievable outfits.«
Ertappt fühlen sollen sich nicht bloß konservative Christen und Republikaner, schließlich gebe es ja »auch sonst keinen Mangel an Idioten auf unserem Planeten«. Da hat er Recht. Tillman weiß: Betrachtet man die Menschheit unter komödiantischen Gesichtspunkten, dann ist sie zwar immer noch schwer zu ertragen, aber durchaus komisch. In Wahrheit jedoch, sagte der friedliebende Menschenfreund Tillman in einem Interview, gehe es auf »Pure Comedy« darum, »wie kurz das Leben ist, wie winzig und hilflos wir Menschen sind. Und es geht um die Liebe, die wir gern nur als romantische Sache betrachten - dabei ist sie im wahrsten Sinne entscheidend für unser Überleben. Wir müssen mehr aufeinander aufpassen.« Himmel, wenn es so einfach wäre!
Father John Misty: »Pure Comedy« (Bella Union/PIAS)
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.