Die Poker-Zocker im Wilden Westen Südostasiens
Kambodscha wird immer attraktiver für Glücksspieler auch aus Europa
Andrew macht nicht den Eindruck, als hätte er mit 26 Jahren schon 500 000 US-Dollar verdient. Er trägt ein ärmelloses Shirt der Biermarke »Beer Lao«, seine Haare sind zerzaust, irgendwann muss er aufgehört haben, sich die Fingernägel zu schneiden. Eine halbe Million Einnahmen dürften es schon gewesen sein, schätzt er. So richtig glaubwürdig wirkt das nicht, zumal Andrew schon ein paar Bier getrunken hat und die Nacht fortgeschritten ist. Andererseits hat er in genau diesem Zustand gerade ein paar hundert US-Dollar beim Poker abgesahnt und währenddessen einen Teil seiner Gehirnrechenleistung für Witze über Donald Trump verwendet.
Andrew trifft man im Red Fox, einem Hostel mit angeschlossener Bar. Es ist eine Backpacker-Absteige, wie es Tausende in Südostasien gibt. Wenn man am Tresen nach einer Pokerrunde fragt, führt die Kellnerin die Besucher eine enge Treppe hinauf in einem Raum, in dem die Luft noch ein bisschen stickiger ist. Dafür ist es leiser als im Erdgeschoss. Man hört nur noch das Herumgealbere der Spieler.
In Phnom Penh gibt es mehrere solche Hinterzimmer-Pokerräume. Das Land wird immer beliebter bei Zockern aus dem Westen, die sich für Monate oder Jahre im Land niederlassen: Günstiges Bier, Wetter und unkomplizierte Einreisebedingungen machen das Land attraktiv. Und die Branche selbst ist kaum reguliert - wie vieles im Land. Kambodscha ist der Wilde Westen Südostasiens, der kleine ungezogene Bruder von Thailand.
Halbseidene Halunken tummeln sich aber nicht im Red Fox: Es sind vielmehr junge Burschen aus der ganzen Welt, die ihre Schwäche für Zahlen und Wahrscheinlichkeiten entdeckt haben. Da ist ein stiller Typ aus der Ukraine, der nur Milch trinkt und nur einmal alles setzt und alles verliert. Der Australier, der eigentlich im Norden Thailands wohnt, und jedes zweite Wochenende zum Pokern nach Phnom Penh fliegt. Der Finne, der einmal aussteigt, dann aber mit einem großen Schnaps zurückkommt und mit 300 Dollar wieder einsteigt.
Die meisten kennen sich, sie leben in Phnom Penh oder kommen immer wieder: Das Red Fox ist so etwas wie der Rückzugsort der Zocker. Das eigentliche Geld verdienen sie in größeren Etablissements wie dem Riverking, einem abgewohnten Hotel. Dort wimmelt es von »Fischen«: Asiatische Tycoons, denen es nichts ausmacht, wenn sie mal ein paar Tausend US-Dollar am Abend verlieren. »Es ist leichter, hier mit Poker Geld zu verdienen als im Internet«, sagt Andrew. Klar, manchmal laufe es weniger gut. Zum Beispiel, wenn die zwei Franzosen da sind, die nie etwas sagen, aber immer gewinnen. Im Red Fox spielen sie nur zum Entspannen. Aber je mehr Alkohol fließt, desto höher werden auch hier die Einsätze. Dann ziehen sie durch die Bars, wie jeden Abend.
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