GDL setzt auf Sozialpartnerschaft
Lokführergewerkschaft schlägt auf ihrer Generalversammlung moderate Töne an
Mit langen Streiks hatte sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) über Jahre bei Bewunderern und Kritikern den Ruf einer besonders kämpferischen Interessenvertretung erworben. Dass sie nach stürmischen Jahren nun auf Ko-Management und Sozialpartnerschaft setzt, war bei der Generalversammlung unüberhörbar, die am Donnerstag in Ludwigshafen zu Ende ging.
So schlug der von rund 95 Prozent der Delegierten im Amt bestätigte Gewerkschaftschef Claus Weselsky bei einem Festakt zum 150-jährigen Jubiläum seiner Organisation im Beisein von Politikern und Managern verschiedener Bahngesellschaften moderate Töne an: »Wir bewegen uns verantwortungsbewusst in der Tarifpartnerschaft und gemeinsam mit den Arbeitgebern«, erklärte das offenbar vom Saulus zum Paulus gewandelte CDU-Mitglied. »Wir wollen Sozialpartnerschaft so leben, dass beide Seiten partizipieren. Ein Geschäft, das keinen Gewinn bringt, ist kein Geschäft«, so Weselsky, der den Begriff der »Sozialpartnerschaft« wiederholt benutzte und sich auch zu Sanierungen und zum »Wettbewerb als Grundlage unserer Wirtschaftsordnung« bekannte. Der Festakt endete mit dem Absingen der Nationalhymne.
Neben der Bestätigung Weselskys und seiner Stellvertreter Norbert Quitter und Lutz Schreiber standen in der nicht öffentlichen Arbeitstagung auch zahlreiche Anträge zu Organisation und Satzung sowie zu berufsspezifischen Fragen auf der Tagesordnung. So öffnet sich die GDL jetzt auch für Lokführer, die als Leiharbeiter eingesetzt werden. »Wir verdammen Zeitarbeit nicht per se, sie muss nur vergleichbare Einkommen bringen«, so Weselsky auf nd-Anfrage. Mehrere Anträge zur Sozialpolitik wurden verworfen, so etwa Forderungen nach Anhebung steuerrechtlicher Pauschbeträge bei Schwerbehinderung und nach Absenkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf sieben Prozent. »Der Antrag bezieht sich auf eine gesamtgesellschaftliche Forderung und betrifft nicht explizit die berufsgewerkschaftlichen Ziele der GDL«, so die Begründung der Antragskommission für die Ablehnung und somit für einen Verzicht auf politische Einmischung.
Ein Leitantrag zur »Stärkung des Eisenbahnsystems« kritisiert die mit der Umwandlung der alten Staatsbahnen in die Deutsche Bahn AG (DB) einhergehende Schrumpfung der Bahninfrastruktur und Schwächung der Schiene im Wettbewerb mit der Straße. Das Papier fordert eine neue »Strukturreform« mit Überführung der DB-Infrastrukturtöchter in eine von Gewinnorientierung befreite Gesellschaft. Die DB-Transportunternehmen und andere Bahnen sollten hingegen »weiter Gewinne erwirtschaften«, so Weselsky, der so seine Vorliebe für das britische Modell der Bahnprivatisierung ausdrückte. Auf der Insel ist die defizitäre Infrastruktur in quasi-öffentlicher Trägerschaft, während gewinnorientierte Private den Personen- und Güterverkehr betreiben. »Wir können die Privatisierung eh nicht verhindern«, antwortete Weselsky auf die Frage nach seinem Standpunkt zum aktuellen Tauziehen um einen Verkauf der stadteigenen Erfurter Bahn. Am Mittwochabend hatte der Erfurter Stadtrat einstimmig den von SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein angedachten Verkauf der Regionalbahngesellschaft abgelehnt.
Die GDL hat nach Angaben ihres Chefs derzeit rund 34 000 Mitglieder und besetzt etwa 500 Betriebsratsmandate, davon rund 350 bei der DB und 150 bei privaten Bahnen. Einen besonders hohen Organisationsgrad errang sie nach ihrer Neugründung Anfang 1990 unter den Lokführern in der sich auflösenden DDR. Unter den zahlreichen geladenen Ex-Vorständen und »Veteranen« aus Ost und West fehlte in Ludwigshafen Weselskys Vorgänger Manfred Schell, der seit 1989 GDL-Chef war und beim Eintritt in den Ruhestand 2008 zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde. Inzwischen hat er sich mit dem »Ziehsohn« überworfen. Dem Vernehmen nach wurde Schell 2015 wegen angeblich ausstehender Mitgliedsbeiträge ohne Chance zur Anhörung von den Leitungsgremien aus der GDL ausgeschlossen. Er wehrte sich vor Gericht erfolgreich gegen die Vorwürfe, verzichtete jedoch auf einen Kampf um Wiederaufnahme. In einem in Ludwigshafen präsentierten Film über die 150-jährige Historie der Gewerkschaft kam Schell nicht vor.
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