Schickes B

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Was für ein komisches Wetter! Oft werde ich von der Sonne wachgeküsst, doch wenn ich vor das Haus trete, ist es kalt, und der Regen lässt nicht lange auf sich warten. Ich muss ja raus, um dieses und jenes zu erledigen, wegen der Reise nach Süden. Vorher werde ich noch meine Küche leer essen und die Papiere und einiges an Wäsche zusammensuchen.

Morgen bleibt keine Zeit, ich werde Stunden vor dem Aufstehen aus dem Bett fallen, in Eile frühstücken, Taxi fahren und auf dem Flughafen dieses Zolltheater über mich ergehen lassen. Es soll von Schönefeld nach Barcelona gehen, auf diesen Kurzurlaub habe ich mich vor Wochen eingelassen, nun ja.

Noch nie habe ich vor einer Reise von so vielen Leuten gehört, dass sie schon mal an meinem Ziel waren und wie schön es dort gewesen sei. Ja, in Gaudí City, in der sonnigen Rollkoffermetropole, dort gebe es alles, vor allem auch viele Diebe, gegen die man aber kaum etwas machen könne. Die Touristen und Ganoven aus aller Herren Länder hätten sich auf das schicke Barcelona geeinigt. Oh ha! Darauf verspüre ich als alter Bargeld-Müsli echt Bock.

Immerhin werde ich mit einigen Freunden, die dort für ein Jährchen leben, weil ihnen das als Pädagogen irgendwie möglich ist, überwiegend auf den Pfaden der Einheimischen wandeln. Wir wollen kleine Ska-Konzerte und ulkige Fußballspiele in der dritten Liga besuchen, zu denen keine 500 Menschen pilgern. Diese Katalanen, die machen oft einen auf FC Barcelona, was anderes als Messi & Co. scheint kaum zu zählen.

Ich habe mir einige YouTube-Filmchen vom Unterklassenfußball in Katalonien angesehen, da spielten oft blau-rote gegen rot-blaue Mannschaften, genau wie der große FCB, der an diesem Sonntag in Las Palmas antritt. Morgen spielt der Lokalrivale Espanyol gegen Valencia, dafür gibt es bestimmt noch 11 000 Karten. Warum? Klingt doch nach Musik! Auch diese »Wellensittiche«, wie man die Fans von Espanyol nennt, freuen sich über neugierige Besucher aus dem fernen Berlin.

Ansonsten bin ich nicht so der große Vorbereiter, was eine anstehende Reise betrifft. Ich hätte ein bisschen Spanisch lernen können, auch für meine Heimatstadt. Reiseführer sind für mich Bücher, die ich frühestens am Vorabend des Abfluges in die Hand nehme. Bloß keinen Vorbereitungsstress.

Immerhin habe ich mich schon über das Wetter informiert, über die stabilen 22 Grad und die leichte Bewölkung. Das hört sich nach einem wahren Frühling zum draußen Herumspazieren an. Wahrscheinlich gut genug zum Anbaden. Zumal die Strandpiraten, wie ich mir einbilde, bei diesen Temperaturen noch keine Schichten fahren. Noch kann ich die Goldkugel einfach ins Handtuch wickeln und mich in die Fluten begeben.

Ach, so langsam freue ich mich auf den Trip. Und damit ich die Ankunft vom Taxi-Kutscher nicht verschlafe, rühre ich den Kirschlikör nicht an, den kriegt er in Schönefeld feierlich überreicht.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.