Neonazi Horst Mahler gefasst
Der flüchtige Holocaustleugner wollte politisches Asyl in Ungarn beantragen
Den flüchtige Rechtsextremist Horst Mahler soll gefasst worden sein. Am Montag bestätigte der Münchner Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich dem »nd«: »Nach den uns vorliegenden Informationen wurde Horst Mahler in Ungarn festgenommen. Nähere Einzelheiten sind zur Zeit nicht bekannt«. Zuerst hatte die »taz« darüber berichtet.
Die Meldung sorgte für einige Verwirrung. Denn in Budapest dementierte Regierungssprecher Zoltán Kovacs zunächst. Jedenfalls bis zum Mittag sei Mahler nicht in Haft genommen worden, zitierte ihn das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. Doch Oberstaatsanwalt Heidenreich berief sich weiter auf eine telefonische Auskunft ungarischer Behörden. Dann teilte die ungarische Polizei mit, der Zugriff sei in Sopron erfolgt, nahe der österreichischen Grenze.
Das Internationale Auschwitz-Komitee appellierte an Ungarn, Mahler schnellstmöglich an die Bundesrepublik zu übergeben. Der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, erläuterte: »Auch für Auschwitz-Überlebende in Ungarn ist Horst Mahler das prominenteste und kälteste Gesicht deutscher Holocaustleugner. Sie empfinden den Aufenthalt Mahlers in Ungarn als Angriff auf ihre Menschenwürde und die Würde ihrer ermordeten Angehörigen.«
Horst Mahler saß seit 2009 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Brandenburg/Havel ein. Er war wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung von den Landgerichten in Potsdam und München in verschiedenen Verfahren zu insgesamt zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Sommer 2015 erhielt er aufgrund eine schweren Erkranung Haftverschonung. Doch Ende 2016 hob das Oberlandesgericht Brandenburg die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung auf. Am 19. April 2017 hätte sich der mittlerweile 81-Jährige in der JVA zurückmelden müssen. Doch er tauchte ab. Vorher äußerte er per Videobotschaft, man habe versucht, ihn in der Haft umzubringen – durch falsche Behandlung einer offenen Wunde an seiner Ferse mit einer speziellen Vaseline. In der Folge habe ihm im Asklepios-Klinikum der Unterschenkel amputiert werden müssen. Solange die »verantwortlichen Justizbeamten« nicht zur Verantwortung gezogen und entfernt seien, werde er nicht zur Haft erscheinen, hatte Mahler angekündigt.
Später – bereits untergetaucht – teilte er mit, er werde in einem anderen Staat Zuflucht suchen. Wie sich nun herausstellte, wollte er es in Ungarn probieren. So berichtete es die »Mitteldeutschen Zeitung« am Montag. »Ich habe am 12. Mai 2017 den Führer der ungarischen Nation, Viktor Orbán, ersucht, mir als politisch Verfolgtem Asyl in Ungarn zu gewähren«, zitierte die Zeitung aus einer im Internet veröffentlichten Erklärung. Diese endete demnach mit den Worten: »Im Vertrauen auf den Freiheitssinn des Volks der Ungarn lege ich mein Schicksal in die Hände seiner Regierung.«
In Ungarn regiert der rechtskonservative Bürgerbund Fidesz des Ministerpräsidenten Viktor Orbán in einer Koalition mit der rechtsextremen Jobbik-Partei. Möglicherweise machte sich Mahler deswegen Hoffnungen. Nach den bisher vorliegenden Informationen soll aber kein offizielles Asylgesuch eingegangen sein. Die ungarische Botschaft in Berlin winkte postwendend ab und erklärte, das Ansinnen des Holocaustleugners entbehre sowieso jeder Grundlage. Denn: »Ungarn ist ein Rechtsstaat und Mitglied der EU. Deutschland ist ebenfalls ein Rechtsstaat und Mitglied der EU.« Es sei bedauerlich, wenn »jemand« der Sache in deutschen Medien Beachtung schenke »und ohne jeden Anlass gezielt versucht, das gegen Ungarn und den ungarischen Ministerpräsidenten zu benutzen«.
Seine politische Irrlichterei begann Mahler in den 1950er Jahren als Jurastudent erst noch ganz harmlos auf dem linken Flügel. Er war Mitglieder der SPD. Diese schloss ihn jedoch aus, weil er auch dem Sozialistischen Studentenbund SDS von Rudi Dutschke angehörte.
In den 1960er Jahren vertrat Mahler als Rechtsanwalt Beate Klarsfeld, die Kommunarden Fritz Teufel und Rainer Langhans sowie die Linksterroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin. Am 12. Juni 1968 beteiligte er sich an der spontanen Demonstration gegen den Springer-Verlag nach dem Attentat auf Rudi Dutschke. Deswegen und wegen verschiedener anderer Vorwürfe wurde er später unter anderem zur Zahlung von rund 76 000 D-Mark Schadenersatz an den Springer-Verlag verurteilt, 1973 dann auch noch zu 14 Jahren Haft, weil er mit Baader und Ensslin die Rote Armee Fraktion (RAF) gegründet und Raubüberfälle verübt haben soll. Dieses Urteil ist allerdings umstritten, weil ihm dies nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Trotzdem musste Mahler bis 1980 ins Gefängnis, und er wurde mit Berufsverbot belegt. Erst 1988, als sich der Bundesgerichtshof von einer »echten Wandlung« Mahlers überzeugte, erhielt er seine Anwaltszulassung zurück. Seine Verteidiger in den 1970er Jahren waren erst der spätere Bundesinnenminister Otto Schily und dann der spätere Kanzler Gerhard Schröder (beide SPD).
Nach einem Intermezzo in der Kommunistischen Partei Deutschlands (Aufbauorganisation) trat Mahler dann ab Ende der 1990er Jahre als Rechtsextremist in Erscheinung. Er organisierte beispielsweise in Berlin sogenannte Montagsdemonstrationen, bei denen er Seite an Seite mit NPD-Funktionären über den Alexanderplatz lief. Im ersten, im Jahre 2003 gescheiterten NPD-Verbotsverfahren verteidigte Horst Mahler diese neofaschistische Partei. Er war bis 2003 auch geraume Zeit NPD-Mitglied.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.