Shopping auf Wolfsburger KZ-Gelände?

Wo Häftlinge litten, soll ein Einkaufszentrum entstehen / Streit um Bebauung des einstigen Außenlagers von Neuengamme auf dem Laagberg

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Angst ging um, wenn SS-Hauptscharführer Johannes Pump wieder einmal betrunken durchs Konzentrationslager auf dem Laagberg bei Wolfsburg schlenderte und seinen Holzknüppel schwang. Jeder Häftling, dem der KZ-Leiter begegnete, musste dann damit rechnen, von dem Mann in der gefürchteten Uniform grundlos zusammengeschlagen zu werden. Prügel und Schikanen mancher Art waren Alltag für die rund 800 Männer, die in jenem Lager zusammengepfercht worden waren und zur Nazizeit Zwangsarbeit für das nahe Volkswagenwerk leisten mussten. Dort, wo sie litten und mindestens 144 von ihnen starben, rollen womöglich schon bald prall gefüllte Einkaufswagen beim fröhlichen Familienshopping.

Geschehen wird dies, sofern ein Wohngebiet nebst Einkaufszentrum tatsächlich dort entsteht, wo einmal eine der Laagberger KZ-Baracken gestanden hat. Ihre Überreste wurden unlängst bei Ausschachtarbeiten für die künftigen Neubauten entdeckt - auch für die Stadt Wolfsburg (Niedersachsen) ein unerwarteter Fund. Zwar war die Existenz des KZ kein Geheimnis, erinnert doch ein Gedenkstein daran. Aber wohl niemand hatte damit gerechnet, dass noch Sichtbares aus der Zeit des SS-Terrors auftauchen würde.

Die nun freigelegten Mauern gehörten zu einem der Gebäude, die zusammen das Lager Laagberg bildeten. Es war eines von fast 100 Außenlagern des bei Hamburg gelegenen KZ Neuengamme. Gefangene aus Frankreich, den Niederlanden, Polen, Spanien und der Sowjetunion wurden vom Laagberg aus zu Schwerstarbeit getrieben: zumeist auf Baustellen für Projekte des VW-Werks in Wolfsburg. Am schlimmsten hatten es dort die sowjetischen Häftlinge, sie mussten in der Schmiede schuften.

Als Erinnerung an die Gequälten und Ermordeten sollten die nun entdeckten Mauern stehen bleiben und nicht überbaut werden, fordern Opferverbände, etwa die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) von der Stadt Wolfsburg. Die aber möchte die geplanten Bauprojekte realisiert sehen und hat angeboten, die Überreste der Baracke ein Stück weit innerhalb des ehemaligen Lagergeländes zu verlegen und dort eine Erinnerungs- und Bildungsstätte zu schaffen.

Das kritisieren vor allem Überlebende des Lagers und Hinterbliebene der Geschundenen. Auch dem ehemaligen VW-Chef-Historiker Manfred Grieger behagt der Vorschlag aus dem Rathaus nicht: Die Umsiedlung von Teilen eines Konzentrationslagers sei einmalig und nicht angemessen. Der Ort des Todes von Menschen könne nicht einfach verlegt werden, so zitiert der NDR den Forscher.

Für den Erhalt der Fundamente plädiert auch der Präsident der »Internationalen Lagergemeinschaft des Konzentrationslagers Neuengamme«, Jean-Michael Gaussot und betont: Die Überreste seien ein wichtiges Zeugnis der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, bedeutsam vor allem für die pädagogische Arbeit. Gaussots Vater gehörte zu jenen Häftlingen, die kurz vor Kriegsende bei der Räumung des Wolfsburger Lagers durch die SS ihr Leben verloren.

SS-Mann Johannes Pump und sein in Laagberg nicht weniger grausam wütender Stellvertreter Anton Callesen mussten sich nach dem Krieg vor der Justiz verantworten. Während Callesen in seiner dänischen Heimat zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, kam Pump »wegen Zugehörigkeit zur SS« vor einem bundesdeutschen Gericht mit vier Jahren Gefängnis davon.

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