Rückzug mit Verspätung
In Schleswig-Holstein geht der Noch-Ministerpräsident von Bord
Zehn Tage nach seiner Wahlniederlage in Schleswig-Holstein hat der SPD-Ministerpräsident Torsten Albig die Brocken hingeworfen und seinen Rückzug aus der Politik erklärt. Dazu hat er am Dienstag eine persönliche Erklärung veröffentlicht. Albig erklärte seine Entscheidung per Presseerklärung aus der Staatskanzlei. Darin heißt es, er werde nur noch bis zur Wahl einer Ministerpräsidentin oder eines Ministerpräsidenten geschäftsführend im Amt bleiben. Weitere Ambitionen seinerseits schloss er aus. Für den neuen Landtag werde er sein im Kieler Wahlkreis direkt gewonnenes Mandat nicht antreten. Da er für keine weiteren Stellungnahmen mehr zur Verfügung stand, bleibt zunächst auch offen, welche berufliche Karriere er künftig anstrebt.
Angeblich soll Albig seinen Abgang bereits am Wahlabend angeboten haben, wurde aber dem Vernehmen nach aus der Bundesparteispitze zurückgehalten, um nicht eine Regierungsoption vorzeitig zu verschenken. Unmittelbar vor der Wahl orakelte der 53-Jährige vieldeutig, dass er für den Fall, seine bisherige Koalitionsregierung mit Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband nicht fortsetzen zu können, einen Plan B habe - ohne jedoch konkret zu werden. Der jetzige Rückzug dürfte allerdings nicht dazu gehört haben.
Insgeheim hofft die Nord-SPD immer noch, mit einer Ampelkoalition oder zumindest einer Großen Koalition ein Regierungsteil der 19. Legislaturperiode zu bleiben. Doch unterstreichen Landesvorsitzender Ralf Stegner und seine SPD gerade, dass Krisenmanagement nicht zu den Stärken der Sozialdemokraten gehört.
Die Wahlschlappe vom 7. Mai wurde schnell in erster Linie Albig angelastet, dessen persönliche Homestory über seine gescheiterte Ehe im Klatschblatt »Bunte« ihm offenkundig Sympathien kostete. Doch für die Wahlkampfstrategie und -taktik, für die Auftritte, die Themen und Schwerpunktsetzung muss sich auch der Landeschef hinterfragen. Mit dem Albig-Goodbye ist die Krise in der SPD somit noch nicht vom Tisch. Innerhalb der Partei gibt es jede Menge Gesprächsbedarf.
Am Montagabend schalteten sich alle Kreisvorsitzenden zu einer Telefonkonferenz zusammen. Matthias Ilgen aus Nordfriesland, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter, aber eigentlich mehr als Wrestler denn als Politik-Hinterbänkler bekannt, hat Stegner ebenfalls aufgefordert, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Auch sonst rumort es an der Basis, weil Stegner es als Parteichef drei Landtagswahlen nacheinander nicht geschafft hat, die SPD zur stärksten Fraktion im nördlichsten Bundesland zu machen.
Am Dienstagabend kam dann der Landesvorstand zusammen. Ein Thema dort war: Geht die SPD mit Stegner oder einem anderen noch zu findenden Sozialdemokraten in ein momentan noch denkbares Regierungsbündnis? Zuletzt wurden diesbezüglich sogar die Namen des bisherigen Wirtschaftsministers Reinhard Meyer oder von der Noch-Schulministerin Britta Ernst, der Ehefrau von Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz, gehandelt.
Nachdem es Montagabend ein erstes Treffen zwischen FDP und Grünen gab, hatte die CDU am Dienstag zu ersten getrennten Gesprächen mit Grünen und anschließend mit den Liberalen eingeladen. FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki wurde in mehreren Interviews bereits unmittelbar vor Albigs Rückzugserklärung deutlich: Definitiv werde die FDP in keine Ampel-Gespräche eintreten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.