Jesiden im Landtag
Weltliches Oberhaupt Taksim Said Ali bittet um Hilfe gegen die Terrormiliz IS
»Formaljuristisch« sei das Land Brandenburg für die vom Islamischen Staat (IS) im Nordirak grausam verfolgten Jesiden »wenig zuständig«, weiß Landtagsvizepräsident Dieter Dombrowski (CDU). »Aber es ist auch unsere Angelegenheit«, betonte er am Mittwoch im Parlament. Denn: »Wenn die Gräueltaten dort nicht bekämpft werden, dann werden wir sie bald hier haben.« Das Schlimmste werde ja im deutschen Fernsehen nicht gezeigt - dass Müttern die abgeschlagenen Köpfe ihrer Kinder gezeigt werden und dass der IS Söhne zwingt, ihre Väter zu erschießen.
Am Mittwoch besuchte eine Delegation der Jesiden den Landtag. Ihr weltliches Oberhaupt Taksim Said Ali, bat um Hilfe gegen die Terrormiliz IS. Die Bundesrepublik könne ihren Einfluss geltend machen, um den Völkermord an den Jesiden vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen, hoffte er. »Der Islamische Staat hat die abscheulichsten Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begangen.« An diesem Donnerstag ist die Delegation im Bundestag zu Gast.
Nach dem Überfall auf das Siedlungsgebiet der religiösen Minderheit im August 2014 sind 7000 Jesiden ermordet, mehr als 5000 Frauen und Kinder entführt und 400 000 Menschen vertrieben worden. Aus Shingal konnte der IS inzwischen von Kurden und Jesiden zurückgedrängt werden. Doch die Stadt ist ein Trümmerhaufen und ihre einstigen Einwohner campieren in Lagern.
»Natürlich würden die Jesiden lieber in ihrer Heimat leben«, meinte der CDU-Politiker Dombrowski. »Wir sind ein kleines Bundesland, aber es geht uns gut«, versicherte er. Bereits am 16. Dezember 2016 beschloss der Landtag ein Aufnahmeprogramm.
Baden-Württemberg habe sein Aufnahmeprogramm 2016 beendet und der Bund habe nie eins gehabt, bedauerte Staatssekretär Thomas Kralinski (SPD), der die brandenburgische Landesvertretung in Berlin leitet. Ob die an den Jesiden verübten Verbrechen tatsächlich den Tatbestand des Völkermords erfüllen, könne Brandenburg nicht beurteilen, erklärte Kralinski. Fürchterlich seien die Verbrechen aber auf jeden Fall.
Die Abgeordnete Andrea Johlige (LINKE) schilderte das Schicksal des Jesiden Assad, dem es 2015 gelang, Deutschland zu erreichen. Doch er sehnt sich nun in Berlin nach seiner Frau und seinen Kindern, die in einem Flüchtlingslager in Nordirak festhängen. Die Wartezeiten für den Familiennachzug seien lang. Johlige berichtete, sie unterstütze zwei Projekte in Flüchtlingslagern. Wer sich beteiligen wolle, könne dies gern tun.
IS-Täter, die inzwischen in Deutschland leben, sollen sich vor Gericht verantworten müssen, forderte die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne). Dies ist einer von fünf Punkten, um die sich die Landesregierung auf Bundesebene kümmern soll. Die fünf Punkte stehen in einem Antrag von SPD, CDU, LINKE und Grüne, den der Landtag am Mittwoch beschloss. Gegenstimmen gab es keine. Nur die für die AfD ins Parlament gewählten Abgeordneten enthielten sich fast alle.
»Die Täter haben sich schon auf den Weg nach Deutschland gemacht«, sagte Thomas Jung (AfD). Er warnte ganz generell vor dem sunnitischen Islam in seiner wahhabitischen Ausprägung und fragte: »Wie weit reicht unsere Macht, wenn wir schon im eigenen Land vor Islamisten kapitulieren.« Der IS, so sagte Jung, werde von vorgeblichen Verbündeten wie Saudi Arabien finanziert, an die Deutschland auch noch Waffen liefere. Indes zielt der Antrag, dem die AfD nicht zustimmen wollte, auch auf einen »interreligiösen Versöhnungsdialog« ab.
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