Beitragsfreies Kita-Jahr beschlossen
Thüringen: Rot-Rot-Grün stärkt Elternbeiräte
Erfurt. Die Eltern von rund 18 000 Thüringer Vorschulkindern müssen künftig keine Kindergartenbeiträge mehr zahlen. Nach dem am Dienstag vom rot-rot-grünen Landeskabinett beschlossenen neuen Kita-Gesetz wird das letzte Kindergartenjahr vor der Schule beitragsfrei. »Damit lösen wir ein zentrales Wahlversprechen ein«, sagte Bildungs-Staatssekretärin Gabi Ohler in Erfurt. Die finanzielle Entlastung der Familien bezifferte sie auf durchschnittlich 1440 Euro im Jahr. Sie sprach von »Normalverdienerfamilien«. Das gilt nicht für Familien mit geringem Einkommen, die ohnehin keine Kita-Gebühren zahlen müssen.
Sowohl die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) als auch die Landeselternvertretung sehen jedoch weiterhin Defizite in der Kinderbetreuung und fordern stattdessen mehr Investitionen in die Betreuungsqualität.
Ohler bezifferte die Kosten für das beitragsfreie Kita-Jahr auf jährlich rund 29 Millionen Euro. Die Regierungskoalition hatte dafür das Landeserziehungsgeld abgeschafft, das Eltern erhielten, die ihre Kinder höchstens stundenweise in Kindergärten betreuen ließen.
Neu sei auch, dass in großen Einrichtungen mit mehr als 100 Kindern zusätzliche halbe Stellen zur Entlastung der Kita-Leitung geschaffen werden könnten, sagte die Staatssekretärin. Die Kita-Leiterin solle dadurch mehr Zeit für die Planung, aber auch für Familiengespräche bekommen. Zudem würden die Rechte der Kita-Elternbeiräte gestärkt - ihre Amtszeit werde mit dem neuen Gesetz auf zwei Jahre verdoppelt. Sie müssten künftig auch einbezogen werden, wenn Kita-Beiträge angehoben werden sollen.
Ohler sieht keine akute Gefahr, dass die Kita-Beiträge für Vorschulkinder steigen, weil das Land sie künftig bezahlt. »Es gibt keinen Grund, warum für Fünf- bis Sechsjährige höhere Gebühren anfallen sollen«, sagte die Staatssekretärin. Für den Gesetzgeber sei es zudem schwer, bei den Gebühren »gerichtsfeste Hürden einzuziehen«.
Die Thüringer Landeselternvertretung für Kindertagsstätten erklärte, mit dem neuen Gesetz werde mit Ausnahme der Gebührenregelung vor allem das Vorhandene bewahrt. Sie forderte erneut, die Betreuungsqualität durch die Bildung kleinerer Gruppen zu verbessern. Dafür müsste in mehr Personal investiert werden. Das Geld dafür sei dank hoher Steuereinnahmen vorhanden. »Thüringen versäumt es, ein wirklich zukunftsfähiges Gesetz vorzulegen«, heißt es in der Erklärung der Elternvertretung.
Auch die GEW übte Kritik. Die Landesregierung ignoriere mit dem Gesetz den einsetzenden Fachkräftemangel und nehme damit Qualitätsverschlechterungen in den Kindertagsstätten in Kauf, erklärte die Gewerkschaft. Auch sie forderte einen besseren Betreuungsschlüssel - also weniger Kinder pro Erzieherin.
Staatssekretärin Ohler sagte, sie habe kein Verständnis für die harsche Kritik. In der vergangenen Legislaturperiode habe der Landtag den Personalschlüssel verbessert. »Jetzt geht es um die Verbesserung der Familienfreundlichkeit.« dpa/nd
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