Anis Amri: Staatsschutz erneut in der Kritik

Nach Vorwürfen im NSU-Komplex wurde die Behörde bei der Führung von V-Personen bereits umgekrempelt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vorwürfe gegen die Abteilung 5 (LKA 5) der Berliner Kripo wiegen schwer. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sollen von Mitarbeitern dieser Abteilung Vermerke manipuliert worden sein, und mögliche Hinweise auf den späteren Attentäter Anis Amri im November 2016 nicht verfolgt worden sein, obwohl eine Verhaftung wegen gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Drogenhandels wohl erfolgen hätte müssen.


Dass bei einer großen Behörde wie dem Berliner Landeskriminalamt das für so viele Deliktsfelder zuständig ist, Fehler gemacht werden, versteht sich von selbst. Doch das jetzt erneut scheibchenweise Erkenntnisse bekannt werden und möglicherweise wichtigen Hinweisen nicht nachgegangen wird, erinnert fatal an den Skandal um die Verwicklung von V-Personen (VP), die das Landeskriminalamt Berlin im Zusammenhang mit dem Umfeld des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) führte. Auch damals stand die Frage im Mittelpunkt, ob die Kripo wichtige Erkenntnisse nicht an zuständige Stellen weitergeleitet hatte, wodurch möglicherweise die Morde der rechtsextremen Terroristen des NSU an zehn Menschen hätten verhindert werden können.


Im Zentrum der Vorwürfe gegen den Staatsschutz stand ab September 2012 die »VP 562«, Thomas Starke, der über die rechtsextreme Musikszene berichtete und zwischen Ende 2000 bis 2011 als Spitzel geführt worden war. Im Nachhinein wurde bekannt, dass Starke seinem VP-Führer mehrfach Hinweise gegeben hatte, die sehr wahrscheinlich direkt zu den NSU-Mördern geführt hätten, wären sie weitergeleitet worden. Der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der für die Grünen im NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss saß, bemerkte dazu einmal: »Inzwischen bin ich der Auffassung, dass Berlin und Brandenburg die Schlüsselländer sind, warum dieses Nazitrio nicht frühzeitig aufgeflogen ist.« Bis heute weiß man von mindestens vier Spitzeln des Berliner Landeskriminalamtes, die im Umfeld des NSU geführt wurden.


Der jüngste Verdacht bezieht sich auf den ehemaligen Deutschlandchef der im Jahr 2000 verbotenen Neonaziorganisation »Blood and Honour«, der nach Medienberichten vom Berliner Staatsschutz an das Bundesamt für Verfassungsschutz als V-Mann empfohlen worden sein soll. Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte am Donnerstag im Parlament, dass er diesen Vorwürfen nachgeht und eine Prüfung angeordnet habe.


Die zahlreichen Spitzenskandale hatten für die Staatsschutzabteilung seinerzeit Folgen. Der ehemalige Innensenator Frank Henkel (CDU) ließ als Konsequenz die Aktenführung und die Führung der V-Leute umstrukturieren. Außerdem wurde, wie Ende 2014 mitgeteilt wurde, über die Hälfte des Stammpersonals ausgetauscht. Auf Initiative von Rot-Rot-Grün ist es inzwischen sogar so, dass jeder V-Mann-Einsatz beim Landeskriminalamt durch Polizeipräsident Klaus Kandt persönlich genehmigt werden muss. Im Falle der umstrittenen Spitzel wurde also reagiert. Das Landeskriminalamt hatte seine Fehler analysiert und daraus Konsequenzen für die Zukunft gezogen. Die Fehleraufarbeitung im Fall Amri steht noch aus, sie könnte ähnlich schmerzhaft werden wie im Fall des NSU-Komplexes.

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