Kommerz reicht nicht aus

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil die Hürden für Ladenöffnungen am Sonntag erhöht

  • Sven Eichstädt, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Bundesrepublik sind die Sonn- und Feiertage gesetzlich besonders geschützt. Das liegt daran, dass im Grundgesetz eine entsprechende Regelung der Weimarer Reichsverfassung von 1919 übernommen worden ist. Danach sollen diese Tage »der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung« dienen. Ausnahmen davon sind durch die Ladenöffnungsgesetze der Bundesländer möglich, die Länder hatten die Zuständigkeit für die Regelungen des Ladenschlusses durch die Föderalismusreform im Jahr 2006 erhalten. Seitdem können Kommunen je nach Bundesland eine unterschiedliche Anzahl verkaufsoffener Sonntage im Jahr erlauben. In vielen Fällen ist so die Ladenöffnung an vier Sonntagen pro Jahr möglich.

Dabei hat nun das Bundesverwaltungsgericht mit einem Urteil von Mittwoch (Az. 8 CN 1.16) eine wichtige Einschränkung getroffen. »Als Grund für eine Sonntagsöffnung reicht das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse der Handelsbetriebe und das Shoppinginteresse der Kundschaft nicht aus«, wie der Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, Josef Christ, sagte. »Ein darüber hinausgehendes öffentliches Interesse muss hinreichend gewichtig sein, um die konkret beabsichtigte Ladenöffnung in ihrem zeitlichen, räumlichen und gegenständlichen Umfang zu rechtfertigen.«

Anlass für die Entscheidung der Bundesrichter bot eine Rechtsverordnung der Stadt Worms in Rheinland-Pfalz, in der die Sonntagsöffnung für den 29. Dezember 2013 genehmigt worden war. Hiergegen klagte die Gewerkschaft ver.di vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz und verlor im Mai 2014. Die Koblenzer Richter untersagten auch eine Revision gegen ihr Urteil, allerdings ließ das Bundesverwaltungsgericht die Revision nach einer Beschwerde von ver.di dann zu.

Der Achte Senat des Bundesverwaltungsgerichts schränkte dabei die Möglichkeiten der Sonntagöffnung deutlich stärker ein, während das Oberverwaltungsgericht die Hürden für verkaufsoffene Sonntage zuvor gesenkt hatte. Allerdings sticht wie im Skat der Ober den Unter aus: Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblich. Die Koblenzer Richter hatten vor drei Jahren entschieden, dass die Anforderungen des Sonntagsschutzes schon dann erfüllt seien, wenn alle für und gegen die Ladenöffnung sprechenden Belange berücksichtigt und im Rahmen einer Gesamtabwägung vertretbar gewichtet werden. Das reicht den Bundesrichtern bei weitem nicht aus. Deshalb änderten sie das Koblenzer Urteil von Mai 2014 und erklärten die Rechtsverordnung von Worms zur Sonntagöffnung am 29. Dezember 2013 für unwirksam und rechtswidrig.

Der Achte Senat konnte keinen Sachgrund erkennen, der die Sonntagsöffnung damals in der Stadt Worms erlaubt hätte - ein Sachgrund ist aber nach dem neuen Urteil zwingend notwendig. Im Gerichtsverfahren hatte die Stadt Worms angeführt, dass die Sonntagsöffnung deshalb erlaubt worden sei, weil vom 27. bis zum 29. Dezember 2013 ein Silvestermarkt in der Innenstadt von Worms ausgerichtet worden war. Allerdings wurde dieser Silvestermarkt erst Mitte November 2013 bei der Stadt Worms beantragt und kurz vor Weihnachten 2013 genehmigt, während die Sonntagsöffnung für den 29. Dezember 2013 schon Ende Oktober 2013 beschlossen worden war. Zusätzlich galt die Sonntagöffnung für das gesamte Stadtgebiet von Worms, während der Silvestermarkt nur in der Innenstadt stattfand. Alle diese Punkte rügten die Bundesrichter.

Keinen Erfolg hatte ver.di hingegen, wie zuvor schon in Koblenz, auch beim Bundesverwaltungsgericht mit seiner Absicht, die Regelung des Ladenöffnungsgesetzes von Rheinland-Pfalz zur Sonntagsöffnung generell zu Fall zu bringen.

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