Am Schraubstock sind alle gleich

Ein interkulturelles Ausbildungsprojekt im Saarland kann als Vorbild dienen

  • Jörg Fischer, Völklingen
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wird es gelingen, die jungen Leute aus den verschiedenen Kulturkreisen zusammenzubringen?« Beim Start des Berufsvorbereitungsprogramms »Best 2.0« hatten die Ausbilder starke Bedenken. Aber die Sorgen haben sich zerstreut. »Da gibt es kein Hell-Grün und kein Dunkel-Grün«, sagt Saarstahl-Ausbildungsleiter Patrik Hüttel-Gier: »Alle sind unsere Kollegen.«

Das Berufsvorbereitungsprogramm »BEST« gibt es schon seit 2011 für »unversorgte Deutsche«. Im Herbst wurde es erstmals interkulturell und das »2.0« hinzugefügt. Derzeit probieren neun Geflüchtete und fünf Deutsche bei Saarstahl sowie sieben Geflüchtete und zehn Deutsche beim Schwesterunternehmen Dillinger Hütte aus, ob sie in der Metall- oder Elektrobranche ihre Zukunft finden können.

Ob Deutsche, Afghanen oder Syrer - beim Feilen am Schraubstock in der Lehrwerkstatt des Stahlkonzerns sind alle gleich. Und einige der jungen Leute sind trotz kultureller Unterschiede richtig gute Kumpels geworden und haben viel voneinander gelernt. Vor allem hätten die Geflüchteten nach den Erlebnissen und Strapazen ihrer Flucht eine viel stärkere Motivation ihr Leben zu gestalten und würden die mehr an die »soziale Hängematte gewöhnten« Deutschen mitziehen, meint Hüttel-Gier.

»Bis auf den Eyad sind alle super - der singt immer«, flachst der Völklinger Martin Wirth (25). »Martin hasst mich!« kontert lachend der syrische Flüchtling Eyad Ghannam (19). »Nein, wir verstehen uns alle und helfen uns gegenseitig«, stellt Wirth klar.

Kräftig und blond: Optisch sticht der junge Mann aus Völklingen in der Gruppe hervor. Ansonsten unterscheidet ihn auch äußerlich wenig von seinen meist schwarzhaarigen, teils schmächtigeren Kumpels. Zum einen sind etwa viele Syrer hellhäutig, wie Hüttel-Gier festgestellt hat. Zudem haben viele Beschäftigte einen Migrationshintergrund - wie etwa Diyar Usman. Der 19-Jährige mit den braunen Augen und dem dunklen Teint, den er von seinem türkischen Vater geerbt hat, ist in Deutschland geboren

Zurzeit nehmen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 684 Menschen im Saarland an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teil, darunter 26 Geflüchtete. Bundesweit sind es mehr als 44 000, darunter 665 Geflüchtete.

Viele der Teilnehmer dieser Programme sind einfach frustriert, wenn sie ein oder mehrere Jahre Bewerbungen geschrieben und - wenn überhaupt - nur Absagen bekommen haben. Und dann sollen sie das Richtige finden. Wirth ist so ein Fall. 2009 hat er seinen Hauptschulabschluss gemacht, Bewerbungen geschrieben. Eine Ausbildung als Anlagemechaniker in einem Vier-Mann-Betrieb hat er abgebrochen. Die Arbeit in dem Kleinbetrieb sei einfach der Horror gewesen, meint Wirth.

Die jungen Männer in Völklingen und Dillingen haben es besonders gut getroffen. Sie konnten gleich bei ihrem möglichen künftigen Lehrherren zeigen, was sie können. Vorteil für das Unternehmen: »Wir finden junge Menschen mit großem Potenzial, die uns sonst durch die Lappen gegangen wären«, sagt der Leiter der Personalentwicklung von Saarstahl und Dillinger Hütte, Cornelis Wendler.

Martin Wirth, sein syrischer Kumpel Eyad oder »Kollege« Usman sowie sechs weitere Teilnehmer von »Best 2.0« in Völklingen und acht in Dillingen haben bereits Ausbildungsverträge bei den beiden Stahlunternehmen in der Tasche, einer eine Lehrstelle als Berufskraftfahrer gefunden. Zwei wollen etwas ganz anderes machen: Krankenpfleger und Zahnarzthelfer.

Peter Schweda, Arbeitsdirektor der beiden Stahlunternehmen, hat angekündigt, dass »Best 2.0« nach dem Sommer in die zweite Runde geht. »Unser Integrationsprojekt ist inhaltlich und menschlich wegweisend. Flüchtlinge und Deutsche haben viel miteinander und voneinander gelernt, aus Vorbehalten sind Neugierde und sogar Freundschaften entstanden«, sagt Schweda.

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