Bis auf weiteres fast ein Flughafen
BER-Chef Lütke Daldrup führte Berliner Abgeordnete über die größte Baustelle der Region
Die Luft flimmerte in der frühsommerlichen Hitze über dem wie ausgestorben wirkenden Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER). Ein vertrauter Anblick, ist doch das Bauensemble inzwischen bundesweit bekannt, gerade weil sich daran in all den Jahren so wenig verändert hat. Am Freitag belebte eine Abordnung des Hauptausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses und der Senatsverwaltung, mit Journalisten im Schlepp, die Leere - alle knallrot behelmt und in Warnwesten gezwängt. Ihr Guide war der Hausherr, Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup.
Fünf Jahre ist es her, dass die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER, der damals eigentlich als fertig galt, geplatzt war. Am 24. Mai 2012 hätte die Eröffnungsfeier stattfinden sollen, für den 3. Juni war einst die Inbetriebnahme geplant. Als Grund für die Terminabsage war lediglich von technischen Problemen mit der Brandschutzanlage die Rede. Auch diesmal, im Mai 2017, versicherte der Flughafenchef den Abgeordneten ein ums andere Mal, dass der Airport inzwischen weitgehend fertiggebaut sei. Doch alle Zahlen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sie noch immer über eine riesige Baustelle führte. Der Eindruck, man erlebe ein Déjà-vu, war fast perfekt, als Lütke Daldrup darauf hinwies: »Ein Flughafen ist nie fertig.« Waren dies doch dieselben Worte, mit denen sein Vorgänger Karsten Mühlenfeld ein halbes Jahr zuvor, bei einer Baustellenführung im Oktober, die Zuversicht beschworen hatte, dass eine Eröffnung des BER noch 2017, wie versprochen, möglich sei. Im Januar hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), damals Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, offiziell von dieser Illusion Abschied genommen, nachdem ausgerechnet das Thema Brandschutz erneut alle Zeitpläne über den Haufen geworfen hatte. Im Februar hatte Mühlenfeld gehen müssen.
Vertrauen wieder aufzubauen und neue Zuversicht zu verbreiten ist eines der wichtigsten Anliegen von Engelbert Lütke Daldrup. Die Herstellung von Transparenz wäre dazu der richtige Ansatz. Die Berliner Abgeordneten führte er denn auch durch die verwaiste Empfangshalle, vorbei an Materialstapeln, halbfertigen Check-In-Schaltern und First-Class-Lounges direkt an die wirklich heikle Schnittstelle zwischen dem Fluggastterminal und dem Tiefbahnhof. Heikel, weil der Brandschutz in diesem Übergansbereich zu den Bahnsteigen im Untergeschoss noch immer nicht allen Erfordernissen entspricht.
Derzeit gewährleistet eine Ausnahmegenehmigung der Bauaufsicht des Landkreises Dahme-Spreewald bis Ende 2019 einen »eingeschränkten Betrieb« mit S- und Regionalbahnen. Nachgerüstete gläserne Belüftungsschächte führen aus der Tiefebene durch den Mainpier ins Freie. »Der Bahnhof ist für eine Kapazität von 90 Millionen Passagieren pro Jahr ausgelegt«, so der Flughafenchef. »Vorläufig dürfen ihn jährlich nur 30 Millionen Menschen benutzen.« Einen »eingeschränkten Lastfall« nennt er das. Für die endgültige Genehmigung müssen die Vorgaben des Nachtrags 6.1 zur Baugenehmigung erfüllt werden. Laut Lütke Daldrup werde dazu bis zum Sommer ein gemeinsames Konzept von Eisenbahnbundesamt, Deutscher Bahn und Flughafengesellschaft erarbeitet. Es sehe unter anderem die Nachrüstung von sogenannten Rauchschürzen, die im Brandfall im Bahnhofsbereich ausgefahren werden, sowie von druckfesteren Sicherheitstüren vor.
Die sichere Anbindung des Bahnhofs ist nicht die einzige Baustelle innerhalb der Großbaustelle BER. Insgesamt 25 Themen seien in Workshops identifiziert und zugeordnet worden. Als »weiterhin kritisch« bewertete der BER-Chef dabei lediglich die Fertigstellung der Sprinkleranlage sowie die Abnahmeprozesse durch sachverständige Prüfer. Die Sprinkleranlage von 2012 hatte in keiner Weise den Anforderungen entsprochen. Inzwischen faktisch komplett erneuert, schützt sie jeden der mehr als 850 Räume im Terminalgebäude. Laut Lütke Daldrup wurden viele Leitungen wegen der zahllosen neuen Brandschutzkanäle neu verlegt, die Zahl der Sprinkler auf 80 000 verdoppelt. Da sich herausgestellt habe, dass nun der Wasserdruck nicht ausreiche, müssten größere Rohleitungen nachgerüstet werden. Die aufwendigen Arbeiten sollen erst im vierten Quartal beendet sein.
Auch die Ertüchtigung der 1500 automatischen Sicherheitstüren, die sich im Januar als nicht funktionsfähig erwiesen, dürfte sich bis in den Herbst hinziehen. Erst 40 Prozent der Türen seien bisher fertig, so der Chef.
Insgesamt müssen 17 000 Einzelprobleme abgearbeitet werden, bevor der baulich genehmigte Flughafen am Ende auch durch die Freigabe durch Sachverständige erhalten kann. Schon seit Monaten laufen Einzelabnahmen ganzer Abschnitte, werden akribisch die erforderlichen Dokumentationen erstellt. Doch am Ende müssen alle Anlagen und Systeme als Gesamtsystem funktionieren - ein Moment, der noch viele Überraschungen bereithalten kann. »Zur Abnahme werden wir den zuständigen Behörden dann übrigens insgesamt 2,5 Millionen Blatt Dokumentation übergeben«, so der BER-Chef.
Engelbert Lütke Daldrup hätte allen Grund, sich mit einem konkreten Eröffnungstermin Zeit zu lassen. Doch noch immer will er sich im Sommer festlegen, wie er gegenüber den Abgeordneten klarstellte. Am Jahr 2018 hält er ebenfalls fest. Bislang.
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