Tradition verpflichtet
GutsMuths-Rennsteiglauf: 15 827 Sportler am Start - und am Ziel zwei neue Streckenrekorde
Zuerst war das nicht die angenehmste Überraschung. Der Sonderbus nämlich, der Rennsteigläuferinnen und -läufer kostenlos zu ihren Startorten brachte, war knüppeldicke voll und der Busfahrer früh um fünf nicht bester Stimmung. Umso mehr waren das auf der Fahrt nach Oberhof indes die Passagiere im Alter zwischen 18 und 80. Munteres Stimmengewirr in vielen Mundarten, besonders ostdeutschen, in einer Ecke wurde gesungen. Knistern von Butterbrotpapier, Gluckern von Trink- und Thermosflaschen. Über allem ein Duftmix aus Morgenshampoo und vermeintlich vitalisierenden Einreibungen.
Für den Chronisten war es ein Déjà-vu. In ähnlicher Weise war er vor 40 Jahren zu seinem ersten Rennsteiglaufstart gefahren. Was die Busstimmung anging, gab es aber einen Unterschied: Kein Gespräch war damals mit der Floskel »Weißt Du noch,...?« eingeleitet worden.
Die ist heute gang und gäbe, denn in den Jahrzehnten ist viel passiert. Der Guts-Muths-Rennsteiglauf gilt längst als größter und härtester Massen-Cross Europas. Die Startersumme aus den Teilnehmerlisten nähert sich der halben Million, darunter sehr viele »Wiederholungstäter«. Rund 1100 sind inzwischen sogar mehr als 25 Mal dabei. Hinzu kommen alljährlich die vielen ehrenamtlichen Helfer, in diesem Jahr 1700. »All das ist für uns Erfolg und Ansporn«, sagt Vereinspräsident Jürgen Lange. »Tradition verpflichtet eben auf Zukunft.«
Mit dieser Devise hatten die Thüringer Organisatoren diese Veranstaltung auch über die »Wende« gerettet. Keiner anderen DDR-Sportgroßveranstaltung ist das gelungen. Aber der Rennsteiglauf war von Anfang an basisgeboren (von drei Studenten und einem Assistenten der Uni Jena) sowie basis- also breitensportlich orientiert und organisiert. Hier war und ist jeder Erster unter Gleichen. Vielleicht aber werden die erwähnten Traditionsläufer einen kleinen Kick mehr als alle anderen geschätzt.
Sieben gehörten am Sonnabend übrigens auch zur Rennsteiglaufmannschaft von »neues deutschland«, die zum 14. Mal startete. Als Ehrenkapitän fungierte diesmal Gustav-Adolf »Täve« Schur. Der war vor 40 Jahren auch schon mal als Aktiver dabei. So wie beispielsweise auch der Angermünder Peter Schaarschmidt, der zum nd-Team gehört. Er brachte am Sonnabend das Ergebnisheft von 1977 mit zum Stand von »neues deutschland« im Zielgelände von Schmiedefeld. Und sofort hörte man wieder: »Weißt Du noch,...?« Der Peter war vor 40 Jahren beim Super-Marathon zwar etwas schneller als Täve, dieser aber sogar Dritter seiner Altersklasse. Der Peter läuft immer noch, doch seit 16 Jahren »nur« noch Marathon, »Täve« hingegen macht inzwischen »nur« noch das, was er am besten kann: Rennradfahren.
Auf dem Kamm des Thüringer Waldes gab es auch diesmal drei Laufwettbewerbe, je zwei Nordic-Walking- und Wanderstrecken sowie den Junior- sowie den Special-Cross für Menschen mit Behinderung. Insgesamt starteten 15 827 Läufer. Viel umjubelt waren wie immer die Ersten. Melanie Albrecht aus Garmisch-Partenkirchen (6:18:01 h) und der Berliner Frank Merrbach (5:18:53 h) gewannen beim Super-Marathon über 73,3 km. Neue Streckenrekorde beim Marathon schafften Nora Kusterer (2:54:00 h) aus Oberkollbach sowie Marcel Krieghoff (2:34:22 h) aus Bad Langensalza. Beim Halbmarathon hatten die Berlinerin Anne Barber (1:22:33 h) und der aus Eritrea stammend und für den SV Sömmerda startende Samson Tesfazghi Hayalu (1:09:49 h) jeweils die Nase vorn. Auch diese Siegerinnen und Sieger gehören nun bereits zur Rennsteiglauftradition. Vielleicht werden sie ja nach 40 Jahren so im Ziel bejubelt wie der Dieter Wiedemann aus dem Dörfchen Hasenthal. Der beendete am Sonnabend ganz locker seinen 29. Lauf und hielt dabei ein altes Trikot mit der Startnummer 38 hoch. Es war das, in dem er 1977 Sieger beim Supermarathon geworden war.
Autogrammstunde
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