Mike soll ein Wunder vollbringen

SPD in Nordrhein-Westfalen ordnet fieberhaft ihre Reihen / Winfried Kretschmann staucht Grüne zusammen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Grünen in Nordhein-Westfalen sind nicht zu beneiden. Bei der Landtagswahl vor einer Woche waren sie auf 6,4 Prozent abgestürzt - 4,9 Punkte weniger als 2012. Zum Schaden kommt nun der Spott. In Form des altväterlichen Rats von Winfried Kretschmann, Ministerpräsident in Baden-Württemberg und der derzeit scheinbar einzig unangreifbare Fels in der Brandung der Wählerzuneigung. Die Parteifreunde in NRW hätten »in höchster Not ohne Not genau das Falsche gemacht«, ätzte Kretschmann in einem taz-Interview. Die Grünen dort hätten Koalitionsoptionen ausgeschlossen und heimlich auf Rot-Rot-Grün gehofft. Die Grünen sollten nicht für Themen streiten, auf die sie keinen Einfluss hätten - wie zum Beispiel Abschiebungen nach Afghanistan. Vielmehr müssten sich die Grünen auf ihre Kernkompetenzen wie Klima und Umwelt konzentrieren und stärker auf die Mitte der Gesellschaft schauen. Ob Kretschmanns Parteifreunde in NRW diesen Rat als hilfreich empfinden, konnte am Sonntag auf einem Parteirat (Kleiner Parteitag) in Mülheim diskutiert werden, wo die Landesgrünen in die Analyse der Wahlniederlage einstiegen. Delegierte aus den 53 Kreisverbänden diskutierten über Ursachen und Folgen. Personelle Konsequenzen haben bislang nur Schulministerin Sylvia Löhrmann und Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh gezogen, die keine Ämter mehr anstreben.

Während bei den einen Fehleranalyse im Mittelpunkt steht, geht es bei den Wahlsiegern um Fehlervermeidung. Zwar hatten der voraussichtliche neue Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und der FDP-Landes- und Bundesvorsitzende Christian Lindner am Freitag die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vereinbart und dabei die Zustimmung ihrer Parteivorstände an diesem Montag unterstellt, die aber als Formsache gilt. Doch von Anfang an hatte Lindner deutlich gemacht, dass es nicht um eine einfache Neuauflage bekannter Schwarz-Gelb-Koalitionen gehen könne. Der Knockout von vor vier Jahren im Bund steckt den Liberalen noch in den Knochen, diesmal wollen sie vorbauen, dass so etwas nicht wieder passiert. Beide Parteien wollten in der Koalition ihr Profil schärfen, meinte Lindner, der damit andeutete, kein bequemer Verhandlungspartner für Laschet zu sein. Beide sind dessen ungeachtet zuversichtlich, dass ihre Koalition auch mit nur einer Stimme Mehrheit im Landtag gelingen kann.

Die SPD scheint ihnen dafür einen ausreichend geschwächten Eindruck zu machen. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eilte Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz am Freitag nach Düsseldorf, um den Seinen zur Seite zu stehen. Der Landesvorstand nominierte den 60-Jährigen Michael Groschek einstimmig für die Nachfolge der zurückgetretenen Landesvorsitzenden. Gewählt werden soll Groschek, den alle nur Mike nennen, auf einem Landesparteitag am 10. Juni. Viel Zeit bleibt nicht, die Partei muss sich in ihrem größten Landesverband schnell berappeln, wenn sie bei der Bundestagwahl am 24. September eine Chance haben will. Martin Schulz wählte in dieser misslichen Situation die tröstenden Worte, man stecke in einer sehr schwierigen Situation, sei nun aber einen wesentlichen Schritt vorangekommen. »Der Wille zur Geschlossenheit« in der Partei sei mit Blick auf die Bundestagswahl eine »große Ermutigung«, sagte er.

Groschek ergänzte, die SPD dürfe nicht »als Trauerkloß ins Schneckenhaus gedrängt werden«. Groschek soll auf einem Landesparteitag am 10. Juni gewählt werden. Als neue Generalsekretärin der Landes-SPD steht Svenja Schulze bereit, die derzeit noch Wissenschaftsministerin ist.

Groschek und seine Sozialdemokraten müssen mit einem Handicap umgehen. Der Landesvorsitzende kann nicht Oppositionsführer im Landtag werden, da er keinen Sitz im Parlament hat. Wer diese Rolle übernehmen soll, ist offen. Mehr als elf Jahre lang war Groschek Generalsekretär der NRW-SPD, 2012 durfte er sich als Wahlkampfmanager den Wahlsieg von Hannelore Kraft ans Revers heften. Dennoch müsste er nun wohl ein Wunder vollbringen, um die SPD in NRW wieder in Angriffsstimmung zu bringen. Bundesweit glaubten einer Emnid-Umfrage für »Bild am Sonntag« zufolge nur noch 15 Prozent, dass Martin Schulz im Herbst Bundeskanzler wird. Mit Agenturen

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