Antikmeile rechtfertigt keinen Sonntagsverkauf
Gewerkschaft ver.di klagt gegen sämtliche Termine für besondere Ladenöffnungen in der Stadt Potsdam
»Der Sonntag ist grundsätzlich frei, dient der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe«, betont Erika Ritter, Fachbereichsleiterin Handel bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Es gehe nicht nur um Religion, sondern beispielsweise auch darum, dass die Beschäftigten Zeit für ein Vereinsleben bekommen.
Ver.di reichte jetzt Klage ein gegen sämtliche per Verordnung im Jahr 2017 in der Stadt Potsdam geplanten Ladenöffnungen an Sonntagen. Gegen zulässige Sonntagsarbeit habe sie nichts einzuwenden, aber die Geschäfte sollen »nicht für jede Hüpfburg« aufgemacht werden, erklärt Ritter am Montag.
Ansatzpunkt für ver.di sind die einzelnen Anlässe für die Sonntagsöffnungen. Ein Anlass ist beispielsweise die Antikmeile, die auf zwei Straßen begrenzt sei und keine Öffnung aller Läden im gesamten Stadtgebiet rechtfertige, sagt Ritter. Sie erwähnt auch den Anlass Schlössernacht. Diese Veranstaltung ende aber bereits am Sonnabend und niemand könne ihr erzählen, dass die Besucher bis Sonntagnachmittag in der Stadt bleiben, um einzukaufen. Der Handel tue so, als gebe es per Gesetz einen generellen Anspruch auf sechs Sonntagsöffnungen im Jahr. Doch dem sei nicht so. Der Handel dürfe tatsächlich nur die Besucherströme besonderer Ereignisse mitnutzen. Der Verkauf dürfe aber nicht selbst das dominierende Ereignis sein. Würde man die Kunden fragen, so wüssten diese sicherlich nicht, dass etwa die Antikmeile offiziell der Grund dafür ist, dass die Läden an einem Sonntag geöffnet sind, wettet Ritter.
Ver.di könnte nach eigenen Angaben ebenso gegen viele andere brandenburgische Städte und Gemeinden wegen der dort vorgesehenen Sonntagsöffnungen juristisch vorgehen. »Aber bevor man über die Dörfer geht, fängt man da an, wo der Kopf sitzt - in Potsdam«, sagt Ritter. Ihr zufolge gibt es überall in der Bundesrepublik Prozesse gegen Sonntagsöffnungen, die von der Gewerkschaft »regelmäßig gewonnen werden«.
Der Landtag novellierte erst kürzlich das brandenburgische Ladenöffnungsgesetz. Erlaubt sind demnach nun fünf Sonntagsöffnungen im Jahr plus eine weitere Öffnung in extra bestimmten Stadtteilen, auf die die Erlaubnis zur Ladenöffnung dann beschränkt bleibt. Die Gesetzesänderung basierte auf einem Rechtsstreit, den ver.di vor zwei Jahren schon einmal mit der Stadt Potsdam geführt hatte. Auf die neuerliche Klage hat dies jedoch laut ver.di keinen Einfluss. Denn Streitpunkt seien aktuell die besonderen Anlässe für die Ladenöffnungen - und da habe sich im Gesetz nichts geändert. Die Gewerkschaft erklärt ihr Engagement damit, dass die Verkäuferinnen bereits von Montag bis Sonnabend hochflexibel ihren Firmen zur Verfügung stehen müssen und den einen Tag in der Woche benötigen, um sich ihren Familien widmen zu können.
Ver.di rechnet damit, einen Gerichtstermin nicht vor Anfang oder Mitte Juni zu bekommen. Dann sei der erste Termin für eine Sonntagsöffnung, die Antikmeile, leider schon verstrichen, heißt es.
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