Zwei Stunden Trump-Kröten schlucken
Die NATO-Staatschefs treffen sich zum Essen mit dem neuen US-Präsidenten
»Der Präsident freut sich darauf, mit seinen NATO-Kollegen zusammenzuarbeiten, um unser starkes Engagement für die NATO zu bekräftigen und um Fragen zu diskutieren, die für die Allianz, insbesondere die alliierte Verantwortung und die Rolle der NATO im Kampf gegen den Terrorismus, wichtig sind.« So lautet die Voraberklärung des Weißen Hauses zum NATO-Treffens, das am Donnerstag in Brüssel stattfindet.
Es ist üblich, dass sich die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten zusammenfinden, wenn ein US-Präsident gewählt wurde. Doch seit Donald Trump ins Weiße Haus einzogen, ist auch in Bezug auf die NATO »Schluss mit üblich«. Der Mann aus Amerika hat einfach keine Lust, lange mit seinen Bündniskollegen »zu labern«. Gerade einmal zwei Stunden erübrigt er für ein Abendessen mit ihnen. Manch europäischer Teilnehmer wird sogar erleichtert sein, denn das Zeitregime lässt Trump kaum Raum zum Abkanzeln. Was ihm jeweils gerade wirklich wichtig ist, erfährt man ohnehin über Twitter.
Abgesehen vom geplanten politischen Fast Food und anderen Trump-Allüren gibt es weitere Möglichkeiten, Neulinge kennenzulernen. Erstmals mit am Tisch sitzen der neue französische Präsident Emmanuel Macron und auch der Staatschef Montenegros macht seine Aufwartung, denn das Land tritt als 29. dem Bündnis bei.
Obwohl bei dem Treffen unterhalb der Gipfelebene keine Beschlüsse gefasst werden, gibt es Gesprächsbedarf zu mindestens drei Themen. Zuerst ist die Frage zu beantworten, wie es weitergehen soll im Verhältnis zu Russland. Nach dem massiven Truppenaufmarsch von NATO und USA an den östlichen Bündnisgrenzen wird es Zeit, wieder Mechanismen des Dialogs in Gang zu bringen. Doch dass von dem bevorstehenden Treffen dafür ernste Signale ausgehen, ist kaum zu erwarten.
Ein zweiter Themenbereich lässt sich unter dem NATO-Stichwort Krisenmanagement einordnen. Dahinter verstand man bislang Kriegseinsätze wie den in Afghanistan. Da waren und sind seit über eineinhalb Jahrzehnten Zehntausende Soldaten vieler Nationen gebunden. Das Ergebnis? Die Situation wird immer kritischer. Nun fordern die USA - siehe auch Statement des Weißen Hauses - als Ausweg aus der eigenen verfahrenen Situation mehr Engagement der NATO gegen dem internationalen Terrorismus. Dabei ist weder klar, was mit dem Schlagwort Terrorismus gemeint ist, noch was Militär zu dessen Eindämmung leisten kann.
Trump hat schon beim Besuch von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor wenigen Wochen in Washington klargemacht, dass er einen größeren Beitrag der NATO im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) erwartet. Wie der aussehen soll, darüber redet man in Brüssel lieber nicht öffentlich, sondern betont, dass einzelne NATO-Staaten wie Frankreich oder Deutschland ja bereits Mitglied der Anti-IS-Koalition sind. Damit und mit dem Hinweis auf Kostenteilung werden sich die USA nicht zufrieden geben.
Immer wieder wird deutlich, dass die europäischen NATO-Mitglieder - getrieben von den eigenen misslichen Erfahrungen - inzwischen ein anderes Verständnis von Sicherheit haben. Langsam dämmert es ihnen, dass Entwicklungszusammenarbeit wichtiger ist als Panzer und Bombenflieger. Doch wie macht man das einem Egomanen aus USA klar, der gerade die Gelder für Entwicklungshilfe zu Gunsten eines gigantischen Rüstungshaushaltes zusammengestrichen hat?
Aus Sicht der europäisch verantwortlichen Politiker müsste es eigentlich keinen Grund geben, vor Trump zu kuschen, denn: In dem Kontinent, vor allem in Deutschland, haben die USA eine verlässliche Stütze für ihre global-aggressive Außenpolitik. Hier läuft der US-Nachschub, hier arbeiten ungestört Hauptquartiere, von hier aus lenkt man Killerdrohnen, hier finden die US-Truppen gerade einmal wieder Zehntausende Quartiere und weite Übungsfelder.
Also könnte man auch den Themenkomplex »Zwei Prozent Regel« selbstbewusst angehen. Diesen Anteil vom Bruttoinlandsprodukt soll jeder NATO-Staat bis 2024 für Verteidigung ausgeben. So wurde es beim NATO-Gipfel im Sommer des vergangenen Jahres beschlossen. Doch nicht nur der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel tippt sich - gerade im aktuellen Wahlkampf - an die Stirn. Allerdings nachdem sein SPD-Kollege und Vorgänger im Amt, Frank-Walter Steinmeier, die Steigerung zugesagt hatte. Das Brüsseler Abendessen wird kaum der Ort sein, an dem das Thema ausdiskutiert werden kann.
Aber auch an jedem anderen Ort würde ein Aufbäumen Mut wider Trumps Politik erfordern. Wer bringt den auf? Angela Merkel nicht.
Es ist auch nicht so sicher, dass die Bundeskanzlerin dem türkischen Präsidenten Erdogan ein paar Takte sagt. Nicht nur zum fast sicheren Umzug deutscher Anti-IS-Soldaten vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik nach Jordanien. Auch das Thema Menschenrechte verdiente klare Positionen - nicht nur von deutscher Seite.
So weit einige Themen und Aspekte des bevorstehenden NATO-Treffens aus Sicht der Teilnehmer. Friedensaktivisten, die sich in Brüssel zum Protest treffen, haben naturgemäß eine konträre Sicht auf notwendige politische Lösungen. »Von Gipfel zu Gipfel vertieft und erweitert die NATO ihre Politik des Krieges und der Dominanz«, stellt beispielsweise die deutsche Friedenskooperative fest. Ganze Länder seien verwüstet; Millionen auf der Flucht erleiden schreckliche Qualen und sogar den Tod; immer mehr Umweltkatastrophen passieren; der gewalttätige Extremismus und Terrorismus nimmt zu ebenso wie militärische Spannung und Konfrontation; es besteht die Gefahr der Atomwaffenweiterverbreitung und das Risiko eines Atomkrieges steigt. Dass diese Weltsicht von den Staats- und Regierungschefs nicht debattiert wird, hat nichts mit Zeitproblemen zu tun.
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