Wenig Platz für Geschichte in der Garnisonkirche
Gutachten der Martin-Niemöller-Stiftung empfiehlt schlichtes Gebäude statt der anvisierten Teilrekonstruktion
»Die Potsdamer Garnisonkirche symbolisiert Preußens Gloria und Preußens Elend, den steilen Aufstieg eines starken Rechts- und Vernunftsstaates und den tiefen Fall in die Ideologien von Rechts und Links.« Die Kirche, deren Wiederaufbau geplant ist, sei »ein Symbol der Anfälligkeit für die Barbarei und zugleich ein Symbol des Widerstands gegen die Tyrannei«. So zitiert die Martin-Niemöller-Stiftung aus dem Nutzungskonzept von 2005.
Eine fünfköpfige Projektgruppe der Niemöller-Stiftung erstellte ein Gutachten zu diesem Nutzungskonzept. Mitgemacht hat der Theologe Hans Misselwitz. Herangezogen wurde für die Analyse auch ein aktualisiertes Konzept aus dem Jahr 2016. Am Dienstag verbreitete die Niemöller-Stiftung das 19-seitige Gutachten mit dem Hinweis, es werde auch den im Bundestag vertretenen Parteien, dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zugestellt, außerdem der Initiative »Christen brauchen keine Garnisonkirche«. Die eingangs zitierten Aussagen offenbaren nach Ansicht der Projektgruppe »ein in mehrfacher Hinsicht problematisches Geschichtsbild«. Preußen werde undifferenziert als toleranter Staat beschrieben. Ausgeblendet werde die militaristische Prägung, die mit dem Erbauer der Garnisonkirche, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., angefangen habe und die eng mit der Kirche verbunden gewesen sei. Ausgeblendet werde auch der 21. März 1933, als die Faschisten in der Garnisonkirche die Eröffnung des Reichstags zelebrierten und Adolf Hitler dem Reichskanzler Paul von Hindenburg demonstrativ die Hand schüttelte. Zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens sei die Garnisonkirche ein Symbol für linke Ideologien gewesen und niemals ein Symbol des Widerstandes gegen die Tyrannei.
Das Nutzungskonzept erwecke den Eindruck »erinnerungspolitischer Beliebigkeit«. Um Geschichte anspruchsvoll vermitteln zu können, seien Personal und Mittel von vorn herein zu knapp bemessen gewesen und dann auch noch gekürzt worden. Das ergibt sich für die Autoren des Gutachtens durch Vergleich mit anderen Erinnerungsorten wie Topographie des Terrors, Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Haus der Wannseekonferenz. Anders als beispielsweise die Topographie des Terrors habe die Stiftung Garnisonkirche Potsdam keine Organisationen von Naziopfern beteiligt und keine namhaften Historiker einbezogen. Angesichts dieser Defizite sollte das Nutzungskonzept deutlich verändert werden, heißt es im Gutachten. Im Mittelpunkt der Bemühungen stehe leider »die Hülle«, die Rekonstruktion des historischen Gebäudes. Dabei ließe sich die Geschichtsvermittlung über eine gute Strecke mit den Millionensummen finanzieren, die eingespart würden, wenn anstatt einer möglichst originalgetreuen Fassade ein schlichtes Haus entstehen würde.
Die Stiftung Garnisonkirche reagierte lapidar. Man habe das Gutachten erhalten. »Mit kritischen Hinweisen und Fragen setzen wir uns natürlich auseinander.« In den nächsten Tagen werde aber zunächst der Evangelische Kirchentag im Fokus stehen, »zu dem wir zahlreiche Gäste in Berlin und Potsdam erwarten«.
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