Habeck schließt Wechsel an die Grünen-Spitze aus
Aufteilung in Realo-Flügel und Linke lähme die Partei / Kritik an Trittin, der Weg zu Ampel in Kiel »faktisch verbaut« habe
Berlin. Der schleswig-holsteinische Grünen-Politiker Robert Habeck hat seine Partei zu einem Imagewechsel aufgerufen. »Wir müssen die Stimmung drehen wollen. Und das schaffen wir, wenn wir auf positive Art Politik machen«, sagte der Kieler Umweltminister der »Welt am Sonntag«. »Das Positive sollten wir in Sprache, Inhalt und Haltung verkörpern.« Die vier Monate bis zur Bundestagswahl seien in der politischen Zeitrechnung eine halbe Ewigkeit. »Wir können immer noch zwölf oder 13 Prozent holen. Also ran an den Speck.«
Habeck kritisierte das bisherige Erscheinungsbild seiner Partei. »Fehler und Dusseligkeiten haben dazu geführt, dass viele Menschen den Eindruck haben, die Grünen seien aus der Zeit gefallen. Das sind wir aber nicht«, sagte er der Zeitung. »Uns Grünen begegnet oft der Vorwurf, wir würden rummäkeln. Wir müssen zeigen, dass wir leidenschaftlich und optimistisch sind.«
Als Beispiel nannte Habeck die Sprache, mit der die Grünen ihre Konzepte präsentierten. »Vielleicht sollten wir nicht länger vom Ausstieg aus dem Kohlestrom und vom Verbot von Verbrennungsmotoren sprechen. Sondern dass Sonne und Wind unsere Häuser warmmachen.« Sie brächten die Autos zum Laufen und schafften Jobs. »Unser Slogan heißt ja 'Zukunft wird aus Mut gemacht'. Nicht aus Angst!«
Habeck wandte sich gegen die auf Bundesebene geltende Aufteilung der Grünen in Realo-Flügel und Linke - »weil uns die Aufteilung in Parteiflügel lähmt«. Zu oft müssten zu viele Grüne zu lange darüber nachdenken, ob das, was sie zu sagen hätten, zu ihrer Bezugsgruppe innerhalb der Grünen passe. Dabei sollte es eigentlich um die Frage gehen, was für die Menschen richtig sei und die Grünen voranbringe. »Ich jedenfalls habe keinen Bock mehr auf die Flügelschlägereien. Und viele andere auch nicht.«
Einen Wechsel als Parteichef nach Berlin nach der Bundestagswahl im Herbst schloss Habeck unterdessen aus. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schritts liege bei null, erklärte er.
Scharfe Kritik übte der Grünen-Politiker an seinem Parteifreund Jürgen Trittin. Diesem warf er vor, mit dem öffentlichen Ratschlag für eine Ampelkoalition in Kiel geschadet zu haben. »Es geht für uns hier in Kiel und in der Politik insgesamt ja um Verantwortung. Wer Politik zum Machtgeschacher erklärt, verliert jede Glaubwürdigkeit«, sagte Habeck, der in Kiel inzwischen über ein »Jamaika«-Bündnis mit CDU und FDP verhandelt.
Habeck bezog sich damit auf einen Talkshow-Auftritt Trittins vor zwei Wochen, bei dem sich der frühere Bundesumweltminister und Spitzenkandidat für eine Ampel mit SPD und FDP in Schleswig-Holstein ausgesprochen hatte. Auf Empörung in den eigenen Reihen stieß vor allem Trittins Ratschlag an den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki: »Wenn man zwei große Partner zur Auswahl hat, dann nimmt man den kleineren, dann hat man mehr vom Kuchen.« Habeck hielt Trittin vor, der FDP den Weg zu einer Ampelkoalition damit »faktisch verbaut« zu haben. »Er hat uns damit einen Bärendienst erwiesen.« Außerdem: »Die Menschen wählen mit Politikern auch Stellvertreter ihrer Sehnsüchte und Hoffnungen, nicht abgezockte Pokerspieler.«
Trittin selbst räumte inzwischen ein: »Das war vielleicht eine Überdosis Realpolitik.« Inhaltlich aber sei für Sache für die Grünen klar: »Wenn man sich anschaut, was Robert Habeck in den letzten fünf Jahren beim Ausbau der Windenergie erreicht hat, dann ist die SPD der bessere Koalitionspartner in Kiel als eine CDU, die dagegen war«, sagte er dem »Spiegel«. Agenturen/nd
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