Nordkirche ist Alltag

Vor fünf Jahren fusionierten drei Landesgemeinden

  • Matthias Hoenig, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Pfingstsonntag, 27. Mai 2012: Im Ratzeburger Dom und später draußen an Tischen beim gemeinsamen Essen feiern Tausende die Gründung der Nordkirche - ein historisches Datum. Erstmals vereinigen sich drei Landeskirchen aus Ost- und Westdeutschland: Nordelbien, Mecklenburg und Pommern. Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Nikolaus Schneider spricht von einem »Jahrhundertwerk«, einer »Herkulesaufgabe«. Und Joachim Gauck als Bundespräsident würdigt die Fusion als neues Kapitel des vertrauensvollen Miteinanders, warnt aber auch vor Illusionen über den Zustand der inneren Einheit.

Wo steht die Nordkirche heute, fünf Jahre später? Die Kräfte bündeln, war eines der Hauptanliegen. Das galt für die zentrale Glaubensaufgabe: Das »Wort Gottes« kraftvoll zu verkünden in einer Gesellschaft, in der der Glaube immer mehr verdunstet. Das galt aber auch für den Einsatz personeller und materieller Ressourcen.

In jahrelangem Ringen waren die Interessen der drei Landeskirchen austariert worden, keiner sollte sich über den Tisch gezogen fühlen. So sitzen der leitende Bischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, und der Bischof für den Sprengel Mecklenburg und Pommern, Andreas von Maltzahn, in Schwerin. Das Landeskirchenamt ist in Kiel. Hamburg, Schleswig und Greifswald sind weitere Bischofssitze. Von der polnischen Westgrenze über die Metropole Hamburg bis an die Nordsee mit noch volkskirchlichen Strukturen reicht die Nordkirche.

Trotz der erheblichen soziologischen Unterschiede resümiert Andreas Tietze, Präses der Nordkirchen-Synode: »Das Bewusstsein, zur Nordkirche zu gehören, ist in den letzten Jahren merklich gestiegen. Der Begriff Nordkirche kommt gut über die Lippen. Ich würde aber noch nicht von Identität sprechen, eher von dem Bewusstsein, gemeinsam zu einer Kirche zu gehören, in der verschiedene Identitäten ihren Raum haben können.« Auch Pastor Matthias Bartels aus dem vorpommerschen Greifswald lobt die Vielfalt: »Identität ist immer Fragment, immer gebrochen, immer im Werden. Die Nordkirche lebt das, es gehört zu ihrer DNA.«

Zu den ungelösten Problemen der Nordkirche gehören der eher noch gewachsene Verwaltungsaufwand - besonders im Bereich Bauen - und die Herausbildung eines gemeinsamen kirchlichen Arbeitsrechts. Wie ein roter Faden zieht sich solche Kritik hindurch. »Im Blick auf die Arbeit vor Ort wünsche ich mir, dass wir Pastorinnen und Pastoren stärker von Verwaltungsaufgaben entlasten, damit sie freier sind, Menschen in den Veränderungsprozessen unserer Zeit gut begleiten und stärken zu können«, sagt Maltzahn, der Stellvertreter des Leitenden Bischofs ist. Beim Thema Arbeitsrecht gehen die Meinungen dagegen auseinander. »Wir sollten auf einigen Feldern mehr Mut haben, die Vielfalt zu akzeptieren«, sagt die Synodale Bettina von Wahl aus Friedrichsruh bei Neubrandenburg.

Dem Aderlass der Kirchen hat sich die Nordkirche mit zuletzt 2,23 Millionen Mitgliedern nicht entziehen können. Der prozentuale Rückgang der Mitgliederzahl sei sogar etwas stärker als in der EKD insgesamt, teilt ein Sprecher der Nordkirche mit. Im Vergleich zur jeweiligen Zahl der Mitglieder in den Bundesländern gab es in den überwiegend ländlich geprägten Flächenländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern weniger Kirchenaustritte als in Hamburg. Bis 2015 verlor die Nordkirche knapp 130 000 Mitglieder; die Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor. dpa/nd

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