Entwicklung hinter Mauern
Krisen, Katastrophen und Konflikte beeinträchtigen die Wirksamkeit der finanziellen Zusammenarbeit mit Ländern im Globalen Süden
Ein «beklemmendes Gefühl» beschleicht die kleine Gruppe internationaler Entwicklungsexperten auf ihrer Fahrt durch Palästina. Die Delegation der Weltbank sowie der deutschen Entwicklungsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der französischen Entwicklungsbank AFD ist unterwegs im gepanzerten Auto entlang des konfliktträchtigen Küstengebietes von Gaza und weiter ins Westjordanland. Links und rechts der Schotterstraße erhebt sich die gewaltige Grenzmauer. Vorbei geht es an schwer bewaffneten israelischen Soldaten und vergitterten Checkpoints.
Ziel des Evaluierungsteams ist die dicht besiedelte und von Zerstörung geprägte Stadt Jericho. Zum Straßenbild gehören zahlreiche Eselskarren, mit denen mühsam der Abfall entsorgt wird. Mit den Mitteln des gemeinsamen Kommunalentwicklungsfonds MDLF soll in der palästinensischen Metropole die teilweise zerstörte Infrastruktur erneuert und ausgebaut werden. So sollen neue Bürgersteige und Fahrradwege den nicht motorisierten Verkehr attraktiver machen, zum anderen will man entlegene Viertel stärker an die Hauptverkehrsadern anbinden. Dass dies ein wichtiges Anliegen der Palästinenser ist, zeigt sich bei der Mittelverwendung des Fonds. Die einzelnen Kommunen sollen selbstständig darüber entscheiden und ihre eigenen Prioritäten setzen, lautet die Vorgabe. Aber obwohl noch vieles mehr im Argen liegt - zum Beispiel die unzureichende Wasserversorgung - entscheiden sich die Gemeinden überwiegend für den Bau neuer Straßen.
Insgesamt 136 Kommunen unterstützt der Fonds - «losgelöst von innerpalästinensischen Querelen», heißt es im Evaluierungsbericht der KfW. Das von sieben Gebern finanzierte Gemeindeprogramm soll die Dezentralisierung der Investitionsentscheidungen fördern.
Die Bewertung durch die Evaluierer fällt jedoch gemischt aus: «Nicht immer überzeugte die Auswahl» der Projekte. Eine Umfrage ergab zudem, dass die Zufriedenheit der Bürger mit den öffentlichen Dienstleistungen «nicht spürbar zugenommen hat». Auch sehen die Teilnehmer der Delegation «Risiken für den Fortbestand des Erreichten». Grund: «Die mangelnde Unterstützung durch die palästinensische Politik».
Das Beispiel zeigt, mit welchen Schwierigkeiten die Entwicklungszusammenarbeit häufig zu kämpfen hat. «Krisen, Katastrophen und Konflikte», lautet das Schwerpunktthema des Berichts, beeinträchtigen die Hilfsanstrengungen der westlichen Geber überall. Alle zwei Jahre veröffentlicht die größte deutsche Entwicklungsorganisation eine umfassende «Nabelschau» abgelaufener Projekte. Die auf ihre Unabhängigkeit vom KfW-Management pochende Evaluierungsabteilung bewertet 83 Prozent der abgeschlossenen Projekte als «zufriedenstellend oder besser». Ihr Bericht trägt den Titel «Leben in einer bedrohten Welt - Gefahren wirksam begegnen.»
Er weiße «klar auf Grenzen bei der Bekämpfung von Krisen und Katastrophen hin», betont Norbert Kloppenburg, Vorstand der KfW-Bankengruppe, die durch die Entwicklungszusammenarbeit nicht überwunden werden können - und schon gar nicht allein. Mehr als bisher sollte die KfW bekannte Gefährdungspotenziale bei jedem ihrer Vorhaben vorneweg mitbedenken. Es komme in Zukunft darauf an, die Entwicklungsländer durch Prävention und rechtzeitigen Anpassungsmaßnahmen «erheblich widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen».
Im Zahlenteil seiner Ausführungen schwingt der Stolz des scheidenden Managers deutlich mit: Die KfW habe im vergangenen Jahr «das historisch höchste Zusagevolumen erreicht: Einschließlich der Tochter DEG waren es rund 8,8 Milliarden Euro, das sind gut eine Milliarde mehr als 2015. Davon stammen rund fünf Milliarden Euro aus dem Etat des Entwicklungsministers Gerd Müller und der Rest vom Kapitalmarkt.
Von dem Geld fließen 2,1 Milliarden Euro in die Flüchtlingshilfe. Damit unterstütze man insgesamt 26 Millionen Flüchtlinge in den Aufnahmeländern wie zum Beispiel Jordanien.
Einen kräftigen Sprung machte auch die Tochter DEG, die ihre Finanzierung privater Investoren um 46 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro steigern konnte. Mehr als die Hälfte der Neuzusagen seien an deutsche Mittelständler gegangen, die überwiegend ein wachsendes Interesse an Afrika zeigten. »Zahlen machen aber nur Sinn«, kommentiert Kloppenburg diese stürmische Entwicklung, wenn die Inhalte stimmen und die Prozesse dahinter, »Wirkung zeigen«. An der Erfolgsquote von gut 80 Prozent hat sich bei der KfW zuletzt nichts geändert.
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