Neue Gefahr am rechten Rand
Seit 20 Jahren kämpft das Aktionsbündnis Brandenburg gegen Nazis
Es war die Zeit der schlimmen, aufsehenerregenden Gewalttaten, erinnert sich Jonas Frykman vom brandenburgischen Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Im Sommer 1996 hatten zwei Jugendliche in Mahlow den schwarzen Bauarbeiter Noël Martin verfolgt und versucht, sein Auto von der Straße abzudrängen. Schließlich warfen sie einen Feldstein durch eine Seitenscheibe. Der Mann aus Birmingham verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und landete an einem Baum. Er ist seitdem querschnittsgelähmt.
Außerdem gab es innerhalb eines Jahres fünf Todesopfer rechter Gewalt. Es musste etwas unternommen werden. Am 22. Mai 1997 gründete sich das Aktionsbündnis. Von damals bis jetzt ist die Zahl der Mitgliedsorganisationen von 29 auf 75 gestiegen. Dazu gehören so angesehene Vereine wie der Cottbuser Aufbruch und die Opferperspektive, die Bürgerinitiative Zossen zeigt Gesicht und die Fürstenwalder Plattform gegen Rechts. Vorsitzende sind im Laufe von 20 Jahren verschiedene Generalsuperintendenten der evangelischen Kirche gewesen.
Am Montagabend sollte es zum Jubiläum eine Veranstaltung im Potsdamer Lindenpark geben. Auf dem Programm stand dabei eine Aufführung der NSU-Monologe von Regisseur Michael Ruf. Staatskanzleichef Thomas Kralinski (SPD) wollte dort sagen, das Bündnis habe dazu beigetragen, dass Brandenburg »weltoffen, tolerant und menschlich ist und bleibt«. Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) betonte: »Das Aktionsbündnis ist wichtig.«
Erklärtes Ziel ist es, »die vielfältigen Bemühungen zur Bekämpfung und Prävention von Gewalt, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus durch eigene Vorschläge und Maßnahmen zu unterstützen«. So ist es in Paragraf 1 der Geschäftsordnung festgehalten. Praktisch sieht das beispielsweise so aus: Verteilt wurden der Ratgeber »Was Demokraten gegen Rechtsextreme tun können« und 3000 Aktionskits der Kampagne »Schöner leben ohne Nazis« mit Stickern, Postern, Aufklebern, Armbändern, Straßenmalkreide und je einer Zeitung »Die hohlen Phrasen von NPD & Co«.
Es gibt einige Erfolge, die sich das Aktionsbündnis gutschreiben kann, auch wenn diese Erfolge natürlich nicht allein auf sein Konto gehen. Die neofaschistische DVU, die 1999 bei der Landtagswahl 5,2 Prozent erzielte und bei der Wahl fünf Jahre später sogar 6,1 Prozent, konnte 2009 mit nur noch 1,1 Prozent nicht wieder ins Parlament einziehen. Die Naziaufmärsche zum sogenannten Heldengedenken am Soldatenfriedhof in Halbe gibt es nicht mehr.
Aber es sind im vergangenen Jahr im Bundesland Brandenburg so viele rechte Gewalttaten gezählt worden wie noch nie. Glücklicherweise gab es aber keine Todesopfer, und es wurde auch nicht »diese enthemmte Gewalt« registriert, unter der Brandenburg vor 20 Jahren zu leiden hatte, hebt Frykman hervor. Auch gebe es heute nicht mehr das Wegschauen, das Verharmlosen von neofaschistischen Tendenzen und Delikten durch Bürgermeister, die um das Image ihrer Städte und Gemeinden fürchten. Die Kommunalpolitik habe bis auf wenige Ausnahmen erkannt, dass Schönreden hier nicht helfe. Auch in der Landesregierung habe es einen solchen Schwenk gegeben, als der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) zugab, er habe die Situation falsch eingeschätzt.
»Die Zivilgesellschaft ist viel wachsamer, viel stärker geworden«, freut sich Frykman. Früher stellten sich einige Einzelpersonen und die Antifa gegen Neonazis, sagt Frykman. Die CDU habe sich nicht anschließen wollen, wenn die PDS mitmachte. Heutzutage sei das Engagement breiter aufgestellt, und die Polizei sei sensibilisiert, rechte Gewalt zu erkennen. Es gibt jedoch die AfD, und der Landesverband Brandenburg wird vom rechtsnationalen Flügel dieser Partei dominiert. Die AfD erzielte 2014 bei der Landtagswahl 12,2 Prozent und kann mit ihren Parolen Wähler über das völkische Lager hinaus mobilisieren, warnt Jonas Frykman. Die Hälfte ihrer Stimmen habe die AfD von der neofaschistischen NPD abgezogen, die andere Hälfte aber von demokratischen Parteien. Das Aktionsbündnis gab Ende 2016 eine 32-seitige Aufklärungsschrift heraus: »Die neue Partei am rechten Rand. Programm und Positionen der Alternative für Deutschland«.
Mit Blick auf den Festakt im Lindenpark schäumte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland am Montag, man solle das Aktionsbündnis auflösen. Es sei »nicht hinnehmbar«, wenn das Bündnis mit finanzieller Unterstützung der rot-roten Landesregierung eine Broschüre herausgebe, »mit der versucht wird, die AfD in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken«. Gauland polterte: »Dieser Missbrauch von Steuergeldern zu Wahlkampfzwecken ist ein Skandal.«
Jonas Frykmann resümiert: »Die Aufgaben haben sich verändert, aber es bleibt viel zu tun.«
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