Anfang, Ende oder was eigentlich?
Kanzlerin Merkel äußerte sich am Sonntag kritisch zu den USA. Was das bedeutet, darüber wird spekuliert
Berlin. Die kritischen Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel zu den transatlantischen Beziehungen stoßen in den USA auf ein geteiltes Echo. Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff bedauerte ein Ende der besonderen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland. »Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten das einen großen Erfolg nennt, tut es mir leid«, sagte Schiff.
Die »New York Times« zitierte den früheren US-Botschafter bei der NATO, Ivo Daalder, mit den Worten: »Dieses scheint das Ende einer Ära zu sein, in der die USA geführt haben und Europa gefolgt ist.« Richard Haas vom Think Tank Council on Foreign Affairs beschrieb Merkels Äußerungen als eine Wasserscheide in den Beziehungen beider Staaten. »So etwas haben die USA seit dem Zweiten Weltkrieg zu vermeiden versucht«, sagte Haas. Der New Yorker Medienwissenschaftler Jeff Jarvis kommentierte Merkels Ansprache auf Twitter: »Dieses ist eine bedeutende Rede in der Restrukturierung der Weltmächte. Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen, um Russland zu kontern - und Trump.«
Aus dem Lager der Trump-Unterstützer kamen sehr kritische Reaktionen auf Merkel. »Merkel, Heldin der Linken und Katastrophe für Europa, sagt, sie könne sich ›nicht auf Trump verlassen‹. Fantastisch. Er steht Ihrer rasenden Dummheit entgegen«, schrieb der konservative Kommentator Bill Mitchell auf Twitter.
Die CDU-Spitze zeigte sich am Montag bemüht, den Eindruck einer Abkehr von den USA zu zerstreuen. Der NATO- und der G7-Gipfel hätten in den vergangenen Tagen gezeigt, dass die Europäer »ihr eigenes Schicksal noch stärker in die Hand nehmen« und für ihre Werte kämpfen müssten, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Montag nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Deutschland und Europa müssten ihre Interessen in der Welt wahrnehmen, etwa beim Freihandel, Klimaschutz oder in der Sicherheitspolitik. Das habe Merkel im CDU-Präsidium »als erklärte Transatlantikerin, der die deutsch-amerikanische Freundschaft ein Herzensanliegen« sei, unterstrichen, sagte Tauber. Dabei gehe es aber nicht »um eine Neuausrichtung unserer Politik«.
LINKE-Chefin Katja Kipping hingegen hat zu einer härteren Gangart gegenüber Trump aufgerufen. Deutschland müsse »mit dem Duckmäusertum gegenüber den USA« aufhören, sagte Kipping am Montag zu »Bild«. Als Antwort auf Trump müsse Europa stärker zusammenrücken. Dazu gehöre aber auch, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble seine »Oberlehrer-Rolle« ablegen müsse.
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley warf Merkel vor, ihre Kritik an den USA inszeniert zu haben. »Es ist keine Kunst, im Bierzelt über Donald Trump zu schimpfen«, so Barley. Haltung müsse man im direkten Aufeinandertreffen bei den großen Gipfeln (G7, G20, NATO) zeigen. »Und genau da knickt Merkel vor Trump ein. Sie hat erst dann den Mut, deutliche Worte zu finden, wenn Trump schon wieder weit weg ist.« Agenturen/nd Seiten 6 und 7
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