Hamburg vor dem Showdown
Regierungsnahe Veranstaltungen machen dem G20-Protest Konkurrenz
Für die Woche vom 2. bis zum 8. Juli sind täglich mehrere große Protestveranstaltungen geplant - die Kritik an der G20 wird gut sichtbar sein, wenn sie nicht von Demonstrationsverboten und massiven Polizeieinsätzen überlagert werden wird: Sei es am 6. Juli bei der Demonstration des autonomen Bündnisses »Welcome to Hell« am Vorabend des Gipfels, bei den Blockadeaktionen tags darauf oder am bei der linkspluralistischen Großdemonstration »Grenzenlose Solidarität statt G20« am Samstag. Letztere hat der LINKE-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken angemeldet.
Gleichwohl propagiert der Hamburger Senat, der Gipfel werde ein »Festival der Demokratie«. So drückte es zumindest der sozialdemokratische Innensenator Andreas Grote aus. Gelegen kommt ihm dabei die Initiative »Hamburg zeigt Haltung«, die auch für Samstag zu einer Demonstration ruft - eingerahmt von einem Gottesdienst in einer der Hauptkirchen und einem Familienfest auf dem Fischmarkt.
Die »Haltungsdemo« ist zwar räumlich getrennt geplant von der von der großen linken Bündnisdemonstration »Grenzenlose Solidarität«, findet aber nicht ganz zufällig am gleichen Tag statt, wie Robin Baabe vom autonomen Bündnis »Welcome to Hell« im Gespräch mit dem »nd« erläutert: »Ich erlebe diese Demo als Teil der repressiven Beschränkungen der gemeinsamen Großdemonstration zum Abschluss der Proteste am 8.Juli.« Sein Eindruck kommt nicht von ungefähr: Die Polizeiführung versuchte, diese Demonstration mit absurden Gefahrenprognosen aus der Innenstadt zu verdrängen. Es gibt mittlerweile zwar endlich eine erlaubte Route. Diese führt jedoch um die Innenstadt herum, der anvisierte Ort für die breite Abschlusskundgebung, das Heiligengeistfeld in der Nähe der Messehallen, wurde den linken Protestierern verwehrt.
Angesichts der massiven Einschränkungen hält Robin Baabe die Demonstration von »Hamburg zeigt Haltung« für ein Feigenblatt. Man tue so, als ob »in Hamburg ja die Versammlungsfreiheit gewahrt wäre«. Als Indiz dafür gelte die regierungsnahe Veranstaltung, kritisiert Baabe.
Prominente wie Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs, Erzbischof Stefan Heße sowie Ex-Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bilden die Initiative »Hamburg zeigt Haltung«, mit dabei von den Hamburger Regierungsparteien sind auch Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und die Landesvorsitzende der Grünen Anna Gallina. »Uns geht es nicht in erster Linie um einen Protest gegen den Gipfel«, sagte die Bischöfin bei der Vorstellung von »Hamburg zeigt Haltung«: Durchaus sinnvoll sei, »dass Vertreter der wichtigsten Wirtschaftsnationen zusammenkommen, um über die Weltprobleme zu sprechen«. Nur an einigen Staatsführern übt Fehrs Kritik: »Ich denke dabei an die Herren Putin und Erdogan, aber auch an die Präsidenten Xi und Trump und an den Vertreter des saudischen Regimes«. Eine derartige Personalisierung des Protestes lehnt Kim Berg vom autonomen Bündnis »Welcome to Hell« gegenüber »nd« ab: »Inhaltlich wird erst gar keine Kritik am G20 formuliert.«
Ausschließlich die Gewaltfrage scheidet die Grünen vom Bündnis »Grenzenlose Solidarität statt G20«. Dies erklärt zumindest die Landesvorsitzende Gallina und erläutert so, warum ihre Partei nun »Hamburg zeigt Haltung« unterstützt. Die Grünen hätten sich im Bündnis der Großdemonstration nicht durchsetzen können: »Bei so einem Ereignis muss das Thema Gewaltfreiheit deutlich formuliert werden. Damit waren wir nicht erfolgreich.« Doch die Befürwortung des staatlichen Gewaltmonopols hätte wiederum die Ausgrenzung der radikalen Linken bedeutet.
Der Hamburger Landesverband der Grünen bekennt sich offen zum G20-Gipfel: »Wir Grüne wollen den G20-Gipfel kritisch und konstruktiv begleiten.« Dazu gehöre ein klares Bekenntnis: »Kein Platz für Gewalt!« Robin Baabe von »Welcome to Hell« denkt anders: »Die Grünen sind jetzt als Regierungspartei mitverantwortlich für die größte Demonstrationsverbotszone, die es in Hamburg jemals gab. Die kritische Zivilgesellschaft soll von zentralen Orten während des Gipfels ferngehalten werden.«
Grüne und Autonome werden sich beim G20-Gipfel in Hamburg also als Regierende und Protestierende gegenüberstehen. »Man gibt sich nach vorne zivil und kritisch«, moniert Kim Berg, »während im Hintergrund die Amtsgeschäfte für die Tage im Juli längst in die Hände der Polizei übergeben worden sind.«
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