Waldhüter mit Flugschein
Luftbeobachter sind als Brandmelder nicht nur im Sommer gefragt - ein Bericht aus Bayern
Die Sicht ist gut, auch wenn es etwas diesig ist. Feuer und Rauch könnten Michael Münchow und sein Pilot Marc Metzmacher von hier oben gut sehen. In einer kleinen Cessna fliegen die beiden nur gut 1000 Meter über dem Boden. Sie sind auf der Suche nach Waldbränden - zumindest in der Theorie. Denn an diesem Tag dient der Flug nur zur Übung. Münchow ist einer von knapp 30 Luftbeobachtern in Mittelfranken.
Wenn die Waldbrandgefahr wie derzeit wegen des heißen Wetters besonders hoch ist, steigen diese speziellen Waldhüter in die Luft. Sie halten nach Flammen und Rauch Ausschau und lotsen die Feuerwehr an Brandorte, die von unten nur schwer zu finden sind. Bei der Übung geht es vor allem um die neue Digitalfunk-Technik. Damit können die Helfer die Integrierte Leitstelle alarmieren und ihre genauen Positionen durchgeben. Eine Unterstützungsgruppe am Flughafen in Gunzenhausen hält Kontakt zu allen vier Flugzeugen, die gleichzeitig in der Luft sind.
Die Cessna fliegt zunächst links am Altmühlsee vorbei. Bald kommen sie zum ersten von sechs Meldepunkten. Münchow muss seine Position angeben und dem Team am Boden Fragen beantworten wie: »Sind Boote auf dem See?« oder »Ist dort ein Landeplatz für einen Hubschrauber?« Weiter geht es über kleine Orte, Felder, Äcker und Wald. Von Feuer ist an diesem Tag nichts zu sehen.
Wenn die Regierung die Beobachtung anordnet, fliegen die Beobachter zweimal eine festgelegte Runde. Meist ist die Brandgefahr am Wochenende am höchsten - weil sich mehr Menschen im Wald aufhalten. Etwa 70 Prozent aller Waldbrände gingen auf Fahrlässigkeit zurück oder auf Brandstiftung, sagt Franz Brosinger, Waldexperte im bayerischen Forstministerium. In etwa 15 bis 20 Prozent der Fälle sei die Ursache unklar. Er vermute aber, dass auch dann meist Menschen die Übeltäter sind: Sie grillen im Wald, stellen ihr heißes Auto auf trockenes Gras oder werfen Zigarettenkippen weg.
Wenn die Luftbeobachter Flammen entdecken, kreist das Flugzeug darüber, bis die Feuerwehr da ist, erklärt Münchow. Der 43-jährige Mitarbeiter der Regierung von Mittelfranken ist bereits seit sieben Jahren ehrenamtlicher Waldbrandbeobachter. Jedes Jahr fliegt er zwei- bis dreimal. Viele Brände hat er dabei noch nicht gefunden. »In der Regel fliegt man durch die Gegend und sieht nichts«, erzählt er. »Und sonst ist meist die Feuerwehr sogar schon da.« Heute könne schließlich jeder mit seinem Handy schnell die Retter rufen.
Er hält die Flüge trotzdem für sinnvoll, weil die Forstleute dabei auch starken Borkenkäferbefall feststellen könnten. Meistens sitzen neben dem Piloten zwei Luftbeobachter im Flugzeug - einer von der Forstbehörde und einer von der Feuerwehr. An den fünf mittelfränkischen Stützpunkten stehen für die Flüge mehr als 300 Piloten mit 150 Flugzeugen und fünf Hubschraubern zur Verfügung. Auch in allen anderen Bezirken gibt es Luftbeobachter, etwa in Oberfranken 20, in Niederbayern 25. »Im Vergleich zu einigen anderen Bundesländern sind Waldbrände in Bayern selten«, heißt es von der Forstverwaltung. Mit dem Klimawandel würden aber die Trockenperioden im Frühjahr und Sommer zunehmen und die Gefahr von Waldbränden steigen. In den vergangenen Jahren habe es zudem vermehrt Feuer im Spätherbst und Winter gegeben - und zwar bei Inversionswetterlagen in höheren Gebirgsregionen, sagt Brosinger. Wenn es im Tal kalt und neblig ist, scheint oben die Sonne bei weit höheren Temperaturen. Solche Waldbrände seien besonders spektakulär, erklärt der Waldexperte, weil man sie schwer löschen kann. Die meisten Feuer gebe es natürlich in Jahren, in denen es im Frühjahr und Sommer sehr trocken und heiß ist - etwa 2003 und 2015. Während im vergangenen Jahr, das relativ feucht war, nur sieben größere Waldbrände von den Feuerwehren in Bayern gemeldet wurden, waren es 2015 ganze 70 Waldbrände.
Um Luftbeobachter zu werden, muss man in Bayern einen einwöchigen Lehrgang bei der Feuerwehrschule in Würzburg absolvieren sowie mehrere Auffrischungs- und Aufbaulehrgänge. Dabei lernt man etwas über Wetterbeobachtung, Kartenlesen und bekommt eine Funkausbildung. Eine wichtige Voraussetzung gibt es: Das Fliegen muss einem liegen, denn in dem wackeligen kleinen Flugzeug kann einem leicht schlecht werden. »Es gibt aber genug Interessenten«, sagt Münchow. »Die Lehrgänge sind immer gut gefüllt.« dpa/nd
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