Thüringer Gebietsreform vor Gericht
Wurde Zeitdruck erzeugt, um das Vorschaltgesetz durch den Landtag zu bringen? Die oppositionelle CDU sagt ja, Rot-Rot-Grün bestreitet das
Weimar. Thüringens CDU-Landtagsfraktion hat vor dem Verfassungsgericht Verstöße im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zur umstrittenen Gebietsreform bemängelt. Ein so bedeutsames Gesetz, das die Landkarte von Thüringen verändern werde, sei »im Wochentakt durchgepeitscht worden«, kritisierte der Prozessvertreter der CDU-Fraktion, Verfassungsrechtler Jörn Ipsen, am Dienstag vor dem Verfassungsgerichtshof in Weimar. Es sei ein solcher Zeitdruck erzeugt worden, dass sich die Abgeordneten vor ihrem Votum zum Vorschaltgesetz zu der von Rot-Rot-Grün geplanten Gebietsreform nicht ausreichend informieren konnten, sagte Ipsen. Konkret geht es dabei um ein Protokoll von der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände am 9. Juni 2016 im Innenausschuss, das zum Zeitpunkt der Abstimmung über das Vorschaltgesetz am 23. Juni 2016 nicht vorlag.
Der Prozessvertreter der rot-rot-grünen Landesregierung, Stefan Korioth, hielt entgegen, dass sich die Abgeordneten ohne Schwierigkeiten vor der Abstimmung über das Ergebnis der Anhörung hätten informieren können. Ein Verfassungsrichter sprach daraufhin von einer »Bringschuld des Landtags und keiner Holpflicht der Abgeordneten«. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Steffen Dittes, wies darauf hin, dass es den Abgeordneten frei stand, die öffentliche Anhörung selbst zu besuchen. Das Protokoll sei nur eine Kopie eines Teils der mündlichen Anhörung.
Nach Ansicht der CDU-Fraktion hätten außerdem die Landkreise und nicht nur die Spitzenverbände zum Vorschaltgesetz im Ausschuss angehört werden müssen. Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) verwies darauf, dass die Landkreise schriftlich angehört worden seien. Auch bei den folgenden Neugliederungsgesetzen für die Kreise und Gemeinden würden die umfangreichen Anhörungsrechte nicht geschmälert, versicherte der Minister. Das Vorschaltgesetz, das untern anderem Einwohnergrößen für die künftigen Kommunen und Kreise vorsieht, sei zwar verfassungsmäßig nicht zwingend notwendig gewesen, biete aber ein Stück mehr Transparenz. Die Regierung habe damit noch einmal ihre Ziele definieren wollen, sagte Poppenhäger. Verfassungsrechtler Ipsen kritisierte hingegen, dass mit dem Vorschaltgesetz die Neugliederung auf Landkreisebene schon »in trockene Tücher« gebracht werde.
Dem Verfassungsgericht liegen über ein Dutzend Klagen gegen die Gebietsreform vor, darunter von neun Landkreisen. Am 14. Juni will das Gericht über die Klage der Landesregierung verhandeln, die die Zulässigkeit des Volksbegehrens gegen die Gebietsreform prüfen lassen will. dpa/nd
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