Die Premierministerin und ihr Herausforderer liefern sich Fernduell
Theresa May setzt auf einen harten Brexit, Jeremy Corbyn auf Rechte für EU-Bürger
Die Fernsehdebatte zwischen Premierministerin Theresa May und Oppositionschef Jeremy Corbyn war mit großer Spannung erwartet worden. Es war das erste Mal seit Beginn des britischen Wahlkampfes, dass beide Spitzenkandidaten für den Posten des Premiers im Fernsehen aufeinander treffen. Corbyn und May stellten sich den Fragen der Moderatoren und der Zuschauer im Studio nacheinander. Labour hat in den vergangenen zwei Wochen in allen Umfragen massiv zugelegt. Corbyns Partei lag vor kurzem noch 20 Prozentpunkte hinter den regierenden Tories. In einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Londoner »Times« hatten die Tories jedoch nur noch einen Vorsprung von fünf Prozent.
Mit der ersten Frage aus dem Publikum an Corbyn ging es gleich zu Sache. Nach dem Anschlag von Manchester hatte Corbyn einen Zusammenhang zwischen internationalem Terrorismus und der britischen Außenpolitik hergestellt. Wieso solle das Land seine Außenpolitik »schwächen«, wenn der Islamische Staat (IS) nicht zu Kompromissen bereit sei, möchte eine Frau wissen. Corbyn erklärte, es dürfe keine Außenpolitik geben, die zur Folge habe, dass ganze Regionen »ohne Regierung« blieben, wie etwa in Libyen. So entstünden »Brutstätten für den Terror«.
Corbyn lenkte von einer Frage zur Einwanderung ab. Er erklärte, er wolle Unternehmen daran hindern, in großer Zahl Niedriglohnarbeiter ins Land zu holen, die möglicherweise Löhne drückten. Den EU-Bürgern im Land wolle er so bald wie möglich umfassende Rechte zusichern. Auf eine geringere Zahl an Einwanderern wolle er sich nicht festlegen.
Eine Zuschauerin beschwerte sich darüber, wie »lustlos« sich Labour zum Brexit äußere. Corbyn sagte, er erkenne das Ergebnis des Referendums an. Ihm sei es nun wichtig, bei den Verhandlungen zu gewährleisten, dass britische Unternehmen einen zollfreien Zugang zum Europäischen Binnenmarkt behielten und dass Bürgerrechte, die durch EU-Recht gewährleistet würden, nicht angetastet würden.
Auch die Premierminister wurde gleich mit einer schwierigen Frage konfrontiert. Während ihrer Zeit als Innenministerin seit 2010 wurden im Land 20 000 Stellen bei der Polizei gestrichen. Das wurde ihr in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit dem Terrorangriff in Manchester angekreidet. May windet sich. »Die Polizeiarbeit verändert sich«, erklärte sie. Zudem sei bei Antiterroreinheiten nicht gespart worden.
May versuchte in der Folge eine Frage nach dem staatlichen Gesundheitsdienst in ihrem Sinne zu drehen. Es komme jetzt darauf an, bei den Verhandlungen mit der EU »das bestmögliche Abkommen zu erzielen«, sagte sie. Schließlich habe sie heute auch beschlossen, sagte sie dann, dass bereits elf Tage nach den Wahlen die Verhandlungen mit der EU beginnen sollen.
Moderator Jeremy Paxman konfrontierte May mit einigen politischen Rückziehern der jüngsten Zeit. »Wenn ich in Brüssel wäre, würde ich denken, Sie sind eine Angeberin, die beim ersten Anzeichen von Geschützfeuer umfällt.« Das Publikum applaudierte. Wieder sah man May ihr Entsetzen an. Am Ende der Fragerunde platzierte May wieder ihr Kernargument in einer Antwort: Sie sei dazu bereit, die EU auch ohne ein Abkommen zu verlassen. »Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal.« Das Publikum quittierte dies mit Applaus.
Letzten Endes mussten sich May und Corbyn Fragen stellen, mit denen Publikum und Moderatoren zielsicher ihre wunden Punkte getroffen haben. Beide hielten dem Druck stand. Viel Zeit, die Lücke zu den Tories zu schließen, bleibt Corbyns Labour nicht. Die Wahlen sollen bereits am Donnerstag der kommenden Woche abgehalten werden.
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