Der Mann, der Bush das Fürchten lehrte
Noriega, der einstige Herrscher Panamas, ist tot
Die Medien sind sich verdächtig einig in der Bewertung von Manuel Noriega: Diktator und Drogenbaron, General und Gewaltherrscher. Das ist gewiss nicht falsch, aber höchstens die halbe Wahrheit über diesen Mann aus Panama. Noriega hatte viele Gesichter, zum Beispiel auch das eines Volkstribuns, heute gern abwertend Populist genannt.
Apropos Gesicht, Noriega hatte eines, das man auch nach nur einmaligem Sehen nicht vergisst: Extreme Pockennarben prägten seine Mimik und verliehen ihm etwas zutiefst Charismatisches. Meine Begegnung mit Noriega datiert aus dem Oktober 1988. Er hatte damals ein paar Minuten für ein Gespräch, kurz bevor er in einem Dorf nahe Panama-Stadt vor Bauern auftrat und zwei Stunden frei redete: über Bodenreform, die Verstaatlichung des Panamakanals und anderes, was die allseits im Lande präsenten US-Gesellschaften sehr wenig erfreute; vor allem nicht der frenetische Jubel, der danach ausbrach. Bei Venezuelas Präsident Hugo Chávez’ Art, zum Volk zu sprechen, erinnerte mich später viel an Noriega, nur dass Chávez ein Hüne war gegen den vergleichsweise zierlichen Mann aus Panama. Noriega war damals eine Art Staatschef. Gewählter Präsident war jemand anderes, der den »Comandante« aber als Überfigur akzeptierte.
Ein Jahr später, im Dezember 1989, taten die USA das, was sie auf dem Subkontinent für ihr Vorrecht hielten. Ihr Präsident George Bush sen. ließ das Land überfallen, um eine unbotmäßige Regierung abzusetzen und die »Ordnung« wiederherzustellen. Es sah auch ein wenig wie Kriegsübung zur Einschüchterung anderer aus, denn es war die größte US-Luftlandeoperation nach 1945.
Noriega war als CIA-Agent viele Jahre lang Washingtons Mann gewesen. Seine Drogengeschäfte störten dabei nicht im Geringsten. Erst als er in Panama zum Chef der Nationalgarde aufstieg und als de facto erster Mann im Staate Versuche startete, die US-Amerikaner hinauszukomplimentieren, entdeckte die US-Drogenbehörde bei Noriega Verbindungen zum kolumbianischen Medellín-Kartell. Mag dies auch heute noch als Begründung für die damalige Invasion gelten, zumindest in Panama weiß man, dass diese Pläne erst evident wurden, als Noriega die Verlängerung des Betriebs des militärischen US-Trainingscamps »School of the Americas« in der Kanalzone in Frage stellte, einer Art Putschisten-Ausbildungsstätte für CIA-Zwecke. Ein Völkerrechtsbruch war es in jedem Fall.
Noriega wurde aus Panama nach den USA verschleppt, vor Gericht gestellt und saß dort wegen Drogenhandels 20 Jahre in Haft. Nach weiteren Gefängnisjahren in Frankreich stand er seit Jahresbeginn in Panama unter Hausarrest. Dort ist jetzt mit 83 Jahren gestorben.
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