Portugal und Spanien wollen EU-Integration stärken

Vor allem der portugiesische Regierungschef drängt auf eine stärkere Zusammenarbeit / Streitfrage Austerität blieb ausgeklammert

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Unterschiede beim spanisch-portugiesischen Gipfeltreffen, das am Montag und Dienstag im Grenzgebiet beider Länder stattfand, hätten größer kaum sein können: Auf der einen Seite kann der portugiesische Sozialist Antonío Costa mit seiner Linksregierung auf eine erfolgreiche Politik in den letzten 18 Monaten zurückblicken. Erst letzte Woche wurde Portugal aus dem EU-Verfahren wegen überhöhter Haushaltsdefizite entlassen. Der Ausstieg aus der Austeritätspolitik hat ein nachhaltiges Wachstum generiert, die Defizitvorgaben konnten sogar übererfüllt werden. Das hat selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble überrascht, der noch vor einem Jahr meinte, das Land müsse bald wieder unter den Rettungsschirm. Der portugiesische Finanzminister Mário Centeno wird gar als Nachfolger von Jeroen Dijsselbloem, dem derzeitigen Vorsitzenden der Euro-Gruppe, gehandelt.

Auf der anderen Seite ist der konservative Regierungschefs Spaniens, Mariano Rajoy, durch Korruptionsaffären stark gebeutelt, seine Beliebtheit im Sinkflug. Am Dienstag ereilte ihn im portugiesischen Vila Real, wo die Gespräche abgeschlossen wurden, die nächste Hiobsbotschaft: Im Juli muss er wegen der Skandale um Korruption und illegaler Finanzierung seiner Volkspartei (PP) persönlich vor Gericht erscheinen.

Einst wurde Spanien in Brüssel und Berlin als Musterschüler angesehen. Doch inzwischen ist offenkundig geworden, dass der spanische Austeritätskurs nur zu einer Verschärfung der prekären Haushaltslage geführt hat. Madrid wies 2016 mit 4,5 Prozent das höchste Defizit im Euroraum aus. Das Defizitverfahren gegen Spanien läuft weiter, da das Land nach Ansicht von Brüssel weder 2017 noch 2018 die Stabilitätsgrenze von drei Prozent wird einhalten können. Die Folge: Es drohen weitere Streichungen von Geldern aus EU-Fonds. Vor diesem Hintergrund griff Rajoy den Vorstoß von Costa bereitwillig auf, gemeinsame Anträge bei der EU zur Finanzierung von Projekten zu stellen, um beiderseits der Grenze die Regionen zu entwickeln. Eine entsprechende Arbeitsgruppe soll eingerichtet werden, um »schnell und gemeinsam« handeln zu können, sagte Rajoy. Als Angebote hatte dieser selbst nur eine verstärkte Zusammenarbeit der Polizei bei der Terrorbekämpfung im Gepäck.

Infrastrukturprojekte sollen eine bedeutsame Rolle spielen, Bahnverbindungen zwischen beiden Ländern ausgebaut werden, um Waren und Personen schneller transportieren zu können. Im Rahmen der europäischen Energiepolitik sollen auch Netzverbindungen ausgeweitet werden. Für Portugal, dass massiv auf erneuerbare Energien setzt, ist das ein »bedeutsamer Vorstoß, um billiger Energie anbieten und darüber die Wettbewerbsfähigkeit stärken zu können«, sagte Costa.

Beide Länder setzen auf eine verstärkte europäische Integration und haben dabei den Brexit im Blick. Der könnte für sie eine Belastung werden. Zahllose Touristen reisen jährlich aus dem Königreich in beide Länder, in Spanien stellen sie sogar die größte Gruppe. Zudem sind Zehntausende - vor allem junge Leute - in der Krise nach Großbritannien ausgewandert. In der Abschlusserklärung werden die »maximale Respektierung der Freiheiten« und »speziell die Freizügigkeit der Arbeitnehmer« gefordert. Bekräftigt wurde die »uneingeschränkte Verpflichtung«, mit dem europäischen Projekt die »Sehnsüchte und Sorgen« seiner Bürger in den Vordergrund zu stellen.

Während das in Portugal geschieht, gehen in Spanien viele auf die Straße, die weiter weder Job noch Unterstützung erhalten. Denn Rajoy kommt beim Abbau der Arbeitslosigkeit nicht voran. Sie liegt noch immer bei 18 Prozent, während Portugal sie auf gut neun Prozent senken konnte. In Spanien kritisiert nun sogar die Zentralbank die ausufernde prekäre Beschäftigung. Portugal bietet Scheinselbstständigen im öffentlichen Dienst derzeit feste Verträge an, auch um als Vorbild für die Privatwirtschaft zu dienen.

Streitfragen wie der Umgang mit der Austerität blieben aus den Gesprächen allerdings ausgeklammert.

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